AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Lombardus oder Thomas von Aquin – haben seine Methodik und Lehren übernommen, aber keiner von ihnen hat ihn je zitiert. Ist es heute allgemein bekannt, dass es die originäre Leistung Peter Abaelards war, Theologie als wissenschaftliches Arbeitsprogramm aufzufassen? Wer kennt schon Abaelards Utopie des friedlichen Miteinanders der Religionen im Ringen um den wahren Glauben, entwickelt noch vor den Glaubenskriegen, den Judenpogromen und der Inquisition?“ Der italienische Schriftsteller Umberto Eco bezeichnete Abaelard und Heloisa – ein wenig unhistorisch – als „das berühmteste Liebespaar seit Romeo und Julia“. Shakespeare hat sein Liebesdrama erst 200 Jahre später geschrieben. Und: Abaelard und Heloisa haben wirklich gelebt und geliebt, ihre Geschichte entspross nicht der Fantasie eines Autors. Im Gegenteil. Ihre Liebe hat Dichter wie Petrarca, Rousseau und Voltaire inspiriert.
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Abaelard – Der Briefwechsel mit Heloisa, übers. v. Hans-Wolfgang Krautz, Stuttgart 2001.
Friedrich Wilhelm Bautz, Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Hamm 1990.
Eva Cescutti/Philipp Steger (Hrsg.), Und wärst du doch bei mir – Ex epistolis duorum amantium. Eine mittelalterliche Liebesgeschichte in Briefen, Zürich 2005.
Friedrich Heer, Aufgang Europas, Wien 1949.
Eberhard Horst, Heloisa und Abaelard – Biographie einer Liebe, München 2004.
http://www.suite101.com/content/the-romance-of-abelard-and-heloise-a85098#ixzz16thX4Rb6
www.abaelard.de
Rodrigo Borgia und Giulia Farnese
Der Papst und die „Braut Christi“
Gott braucht gelegentlich eine große Portion Langmut, wenn er dem Treiben seiner Stellvertreter auf Erden zusehen muss. An der Zeitenwende vom 15. zum 16. Jahrhundert dürfte der Herr im Himmel seine römische Kirche einer besonderen Prüfung unterworfen oder angewidert weggesehen haben. Papst Alexander VI., der im Dezember 1492 in den vatikanischen Palast einzog, gilt in der Kirchengeschichte als abschreckendes Beispiel. Schon als Kardinal hatte sich der Spanier Rodrigo Borgia nicht an die Gebote der Keuschheit gehalten. Der geistliche Würdenträger beglückte zahlreiche Mätressen. Kardinälen, Bischöfen und Priestern wurde damals die Missachtung zölibatären Lebens großzügig nachgesehen, sofern sie ihre Affären nicht an die große Glocke hängten. So tolerant waren damals die Gläubigen.
Rodrigo wurde im spanischen Játiva in der Nähe von Valencia geboren. Nach seinem Studium an der ältesten Universität Europas, in Bologna, erhielt der 26-Jährige, gleichsam als Promotionsgeschenk, den Kardinalspurpur verliehen. Den scharlachroten Hut, der vor allem mit Macht und Pfründen verbunden war, verdankte der junge Theologe seinem Onkel, der als Papst Kalixt III. in die Kirchengeschichte einging.
Die Nachfolge des Apostels Petrus war somit eine innerfamiliäre Angelegenheit. Kalixt III. war in einem Konklave von nur 15 Kardinälen zum Stellvertreter Christi auf Erden gewählt worden, und das im damals wahrhaft biblischen Alter von 77 Jahren. Die mächtigen römischen Geschlechter der Collona und der Orsini hatten sich gegenseitig blockiert. So blieb der alte spanische Kardinal aus dem Geschlecht der Borgias ein praktischer Kompromisskandidat mit geringer Halbwertszeit. Alfonso Borgia – so sein italienisierter Name – galt als ausgezeichneter Jurist, hatte altersbedingt kaum noch Affären und keine außerehelichen Kinder, eine seltene Ausnahme. Für die Zeit, in die der Aufstieg der Borgias fällt, schien er Garant eines gottgefälligen Papsttums zu sein. Doch der Heilige Geist erwies sich auch in diesem Fall keineswegs als unfehlbar. Kaum im Vatikan, perfektionierte Papst Kalixt III. das System der Vetternwirtschaft. Er holte dutzende Verwandte aus seiner spanischen Heimat nach Rom und betraute sie mit wichtigen kirchlichen Ämtern.
Sein Neffe Rodrigo wurde so, noch ehe er überhaupt die geistlichen Würden empfangen hatte, zum Vizekanzler der Kurie ernannt. Diese Funktion galt in jenen Tagen als besonders erstrebenswert, weil sich dabei das meiste Geld abzweigen ließ. Nun waren die Römer gewiss keine unbestechlichen Diener der katholischen Kurie, aber von den Katalanen konnten sie noch etwas lernen. Der zweite Neffe des Papstes, Pedro Luis, wurde Kommandant der Engelsburg und erhielt zahlreiche kirchliche Lehen, also Einkommensquellen zugeschanzt. So gilt Kalixt III. zwar als geschickter Verhandler, aber gleichzeitig als Erfinder der schrankenlosen
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