AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
rechtmäßigen Anspruch auf den englischen Thron mit Unterstützung des Volkes und einer schlagkräftigen Armee durchsetzen. Innerhalb von neun Tagen zog sie am 3. August 1553 zusammen mit ihrer jugendlichen Schwester Elizabeth in London ein.
Die atemberaubenden Intrigen und Machtspiele fanden vor dem Hintergrund des epochalen Ringens zwischen den katholischen Fürstenhäusern und den zum Protestantismus gewechselten Herrschern statt. Das Papsttum in Rom unternahm alle Anstrengungen, um Englands Krone wieder unter den Einfluss des Katholizismus zu bringen. Eine tiefe Spaltung trennte nicht nur den Kontinent, sondern auch die herrschende Klasse Englands. Die Untertanen mussten mehrfach ihren Glauben wechseln: vom konservativen Lutheranismus Heinrichs VIII. über den Katholizismus von Maria Tudor zum gemäßigten Protestantismus Elizabeths. Die einfachen Menschen konnten den raschen Religionswechsel ihrer Herrschaft nicht nachvollziehen. Was heute von Gott geboten, war morgen vom gleichen Gott verboten. Viele gingen auf Distanz zur Religion. Elizabeth scheute die Konfrontation, sie wusste, dass ihr Land und die adelige Führungsschicht in religiösen Angelegenheiten gespalten waren. So steuerte sie einen Kompromisskurs. Die Krönungsfeierlichkeiten fanden ein letztes Mal im katholischen Ritus statt, auch wenn Elizabeth Protestantin war.
Lady Jane Grey hingegen kannte keine Kompromisse. Sie wurde zu einer Märtyrerin des Protestantismus, da sie sich selbst in ihrer Todeszelle im Tower weigerte, wieder in den Schoß der römischen „Mutter“ Kirche zurückzukehren. Ihre Enthauptung wurde immer wieder verschoben, um Zeit zu gewinnen, sie doch noch zum Glaubenswechsel überreden zu können.
Der vom katholischen Spanien aus Machtkalkül geschürte Glaubenskonflikt vergiftete auch die Beziehungen der Schwestern Mary und Elizabeth. Obwohl Mary ihre Schwester zum Besuch der Messe, also zum Katholizismus „bekehren“ konnte, galt Elizabeth für die Barone und Lords der protestantischen Adelsgeschlechter als Zukunftshoffnung. So geriet die junge Frau in den Verdacht, in die Umsturzpläne der Wyatt-Verschwörung eingeweiht gewesen zu sein. Die Verschwörergruppe wollte eine Heirat der katholischen Königin Mary mit dem spanischen Thronfolger Philipp II. verhindern. Diese Allianz zwischen Spanien und England hätte Spaniens Vormacht im Welthandel auf Jahrzehnte gesichert und das Königreich wieder fest an die römische Kirche gebunden. Dagegen formierte sich Widerstand, der aber verraten wurde. Thomas Wyatt wurde verhaftet und belastete unter der Folter Elizabeth. Sie habe zu den Umstürzlern Kontakt gehabt. Richtig oder falsch? Auf Drängen der spanischen Abgesandten von Kaiser Karl V. setzte Mary ihre Schwester erst einmal im Tower fest.
Dort soll sie beim täglichen Spaziergang vom Bell Tower zum Beauchamp Tower ihren Jugendfreund Robert Dudley getroffen haben. Der Sohn des ebenfalls wegen Hochverrats hingerichteten Herzogs von Northumberland verbrachte seine Tage als Gefangener im Tower of London. Ein gemeinsames Schicksal verbindet. Jedenfalls ernannte Elizabeth den jungen Adeligen aus nobelstem Haus nach ihrer Thronbesteigung zum Oberstallmeister. Er war in dieser Funktion für die Mobilität des Hofes verantwortlich und durfte so in unmittelbarer Nähe der Königin sein. Zeitgenössische Briefe berichten, die Königin habe Robert Dudley „Tag und Nacht in seinem Zimmer besucht“.
Der attraktive Adelige und die unverheiratete Königin. Hochzeitsgerüchte verängstigten den Hofstaat. Der Herzogssohn hatte für manche ohnehin einen zu großen Einfluss auf die Königin. Und eine Ehe diente in diesen Tagen der Bündnispolitik und machtpolitischen Überlegungen, nicht aber der Erfüllung einer Liebesbeziehung. Da traf es sich gut, dass Robert Dudley verheiratet war. Dieses Faktum reduzierte die „Gefahr“ einer Hochzeit mit der Königin auf null.
Doch seine Frau Amy geborene Robsart wurde auf ihrem Gut im September 1560 tot aufgefunden: ein Schock. Die junge Adelige hatte ihren Gatten schon jahrelang nicht gesehen, weil dieser Tag und – eben auch – Nacht Dienst am Hofe Elizabeths leisten musste. Ihr toter Körper wurde am Fuße einer winkligen Treppe gefunden. Die Untersuchungen der Constabler ergaben, die junge Frau sei wohl über die engen Stiegen gestürzt und habe sich dabei das Genick gebrochen. Jahrhundertelang blieben die polizeilichen Ermittlungsergebnisse verschollen.
Robert Dudley schien tatsächlich
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