AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
betroffen, gar entsetzt. Nach der Todesnachricht schickte er Vertraute ins Landhaus Cumnor Place, um die Ursache des vermeintlichen Unglücks zu erkunden. Er selbst blieb am Hofe. Dudleys Vertraute befragten die Dienstboten und erfuhren, dass das gesamte Hauspersonal von Lady Robsart zu einem Wochenmarkt geschickt worden war. Zum Zeitpunkt des Unglücks war niemand außer Amy Robsart im Haus, fürwahr ein böser Zufall.
Amys Tod schien im ersten Moment ein Glücksfall für den späteren Earl of Leicester zu sein. Als 29-jährigem Witwer stünde es ihm frei, in der Blüte seiner Jahre wieder zu heiraten, vielleicht gar eine Königin. Doch das Hinscheiden von Lady Robsart entwickelte sich schon bald zu einem Kriminalrätsel, zu einem Skandal am Königshof. Eine Heirat Elizabeths mit Robert Dudley rückte unter diesen Umständen wieder in die Ferne. Die Gerüchte und der Hofklatsch waren ohnehin schon eindeutig zweideutig. Und auch eine englische Königin konnte es sich kaum leisten, als Komplizin in einem Mordkomplott genannt zu werden.
Zeitgenossen glaubten daher an einen Unfall oder Selbstmord der jungen Frau. Beide Versionen sind nicht sehr wahrscheinlich. Für eine britische TV-Dokumentation baute der Archäologe Edward Impey ein Modell des Wohnhauses Cumnor Place und das ominöse Stiegenhaus nach Originalplänen auf. Dabei zeigte sich, dass die Treppe eng und verwinkelt war und zwei Zwischenplattformen hatte. Für einen geplanten Selbstmord war dieses Stiegenhaus extrem ungeeignet, bei einem Sturz wäre Amy wohl auf den Treppenabsätzen zu liegen gekommen. Es fehlen auch Hinweise auf eine Depression, die einen Selbstmord erklären könnte. Im Gegenteil: Die kinderlose Gattin Dudleys hatte sich ein neues rotes Kleid anmessen lassen und freute sich, schriftlich belegt, auf die baldige Lieferung des teuren Stücks.
Ein Zufallsfund nach 450 Jahren scheint jetzt das Kriminalrätsel zu lösen. In britischen Archiven tauchte das originale Polizeiprotokoll auf. Die elisabethanische CSI arbeitete exakt. Im Untersuchungsbericht wird auf zwei Wunden am Schädel von Frau Dudley geborene Robsart hingewiesen. Die eine Wunde sei „einen Daumen lang“ tief, die andere gar „zwei Daumen“ tief gewesen. Brutale Kopfverletzungen, die sich kaum durch einen Sturz über eine enge Treppe erklären lassen. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Gewalttäter die 28-Jährige erschlagen und dann vor der Stiege abgelegt hat. Also: Mord.
Wer der Mörder war, lässt sich heute nicht mehr klären. Robert Dudley war viel zu klug, um sich diesem schweren Verdacht auszusetzen.
Zwei Jahre nach dem Tod von Amy Robsart erkrankte Königin Elizabeth schwer an Pocken. Die durch Viren ausgelöste Erkrankung war damals nicht behandelbar. Der Hofstaat und die Ärzte fürchteten um das Leben der Königin. Während Elizabeth an hohem Fieber litt, brach die Debatte um mögliche Nachfolger aus. Elizabeth war die Letzte aus der Tudor-Familie, unverheiratet und kinderlos. Als sie kurz aus dem Koma erwachte, ernannte sie Robert Dudley zu ihrem Nachfolger. Er sollte England regieren. Der Hofstaat reagierte geschockt. Robert Dudley hatte schon Hand an die englische Krone gelegt. Doch die letzte Tudor bewies eiserne Konstitution, sie genas von der schweren Krankheit.
Das Ober- und Unterhaus erhöhten den Druck auf die „Maiden Queen“, endlich zu heiraten und an eine Nachfolge zu denken. In einer Petition forderten die Lords ein Jawort ein. Kandidaten gab es genug. Die Ehevermittler waren bis ins ferne Österreich ausgeschweift und hatten dort den habsburgischen Erzherzog Karl als möglichen König von England identifiziert. Es wurde hin und her verhandelt, doch Elizabeth antwortete wieder einmal ausweichend. Im „Damen Conversations Lexikon“ des 19. Jahrhunderts wurde Robert Dudley die Schuld am zögerlichen Verhalten seiner Königin zugeschoben: „Sein Ehrgeiz strebte, obgleich er selbst verheirathet war, nach nichts Geringerm, als der Hand der Königin, und deßhalb hintertrieb er auch ihre projectirte Vermählung mit dem Erzherzoge Karl von Oestreich“.
Doch Dudley war auch nur eine Spielfigur auf dem Schachbrett der Macht. Im Frühjahr 1563 setzte Elizabeth den geliebten Springer Robert Dudley und wollte ihn als Ehemann für ihre schottische Rivalin Maria Stuart in Stellung bringen. Ein schlauer Zug, nicht frei von Perfidie. In ihren Anweisungen für die Verhandlungen behauptete die Monarchin, die angestrebte Ehe mit der schottischen Königin sei
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