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AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Jelinek
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sich der Hof noch nicht zurück.
    Die Hoffnungen auf eine Reform der Verfassung und der Einräumung der „bürgerlichen Freiheitsrechte“ schwanden von Verfassungsentwurf zu Verfassungsentwurf. Franz Joseph I. war jung, aber dachte unter dem Einfluss des Erzhauses und seiner konservativen Mutter Sophie keineswegs „jung“.
    Franz Joseph sah es als seine Hauptaufgabe an, die demokratischen Kräfte zu schwächen und die Herrschaft von Krone und Klerus zu sichern. Der Monarch stützte sich dabei auf die Armee und die katholische Kirche. Kaiser Franz Joseph I. zeigte sich – wenn er sich überhaupt öffentlich zeigte – nur in der Uniform. In seinen ersten Regierungsjahren war der erzkonservative „rothosige Leutnant“, wie er von Kritikern bezeichnet wurde, keineswegs beliebt. Innenpolitisch erzwangen der Kaiser und seine Regierung Stillstand, außenpolitisch und militärisch blieb Franz Joseph erfolglos. Die Feldzüge in Italien gingen verloren. Die Schlachten von Magenta und Solferino gehen als blutiges Gemetzel in die Kriegsgeschichte ein. Und mit der Niederlage der österreichischen Armee bei Königgrätz gegen die besser bewaffneten preußischen Truppen ist Österreichs Traum von einem großdeutschen Reich unter Führung der Habsburger ausgeträumt.
    Die politischen und militärischen Misserfolge Franz Josephs, das Ende der Großmachtträume leiteten paradoxerweise eine Phase des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs ein. Das Verhältnis zum Königreich Ungarn wurde mit dem sogenannten „Ausgleich“ 1867 auf eine feste Grundlage gestellt, die k. u. k. Doppelmonarchie gegründet. Das „Ende des Jahrhunderts“, das Fin de Siècle konnte beginnen. Mit dem Staatsgrundgesetz von 1867 wurden liberale Freiheitsrechte verbrieft. Der Liberalismus in Politik und Wirtschaft, die Industrialisierung Europas und historisch noch nie dagewesene technologische Revolutionen veränderten die Donaumonarchie. Der Kaiser hatte daran keinen Anteil. Er zog sich in die Hofburg und ins Schloss Schönbrunn zurück, mutierte zum obersten Sektionschef des Reichs und erfüllte penibel und ohne politische Initiative die Pflicht des Regierens.
    Der Habsburger war seit 20 Jahren mit der bayerischen Prinzessin Elisabeth („Sisi“) verheiratet, die ihm vier Kinder, aber nur einen Thronfolger geboren hatte. Aus der Liebesbeziehung des jungen Kaisers zu der noch viel jüngeren und bildschönen Bayern-Prinzessin war ein Ehedrama entstanden. „Sisi“ fühlte sich am langweiligen, konservativen Wiener Hof unter der „Fuchtel“ ihrer Schwiegermutter weder verstanden noch zuhause. Franz Joseph liebte und verehrte sie zwar, konnte aber der jungen Frau nicht jene Form von Eheleben bieten, die sich die romantisch junge, später exzentrische Kaiserin erhofft hatte. Von ihrem Ehemann erwartete sie längst keine Unterstützung oder Verständnis mehr. So floh Elisabeth aus Wien, reiste zu monatelangen Kuren nach Meran, Korfu oder Madeira und gab sich ihrer fanatischen Reitleidenschaft, dem Körperkult und ihren schwärmerischen Gefühlen für antike Helden hin. Sie akzeptierte die Tatsache, dass ihr Kaiser sexuelle Befriedigung in anderen Betten fand. Kaiserin Elisabeth selbst empfand nur geringe Lust und Begeisterung an der körperlichen Liebe – Franz Joseph schon.
    Im öffentlich zugänglichen „Kammergarten“ des Schönbrunner Schlossparks begegnet dem Kaiser im Mai 1875 ein 15-jähriges Mädchen beim Morgenspaziergang. Der hohe Herr sucht ihre Nähe, doch die junge Dame enteilt Franz Joseph – aus Scheu, wie sie in ihr posthum veröffentlichtes Tagebuch schreibt. Der Kaiser setzt ihr nach. Anna notiert den Verlauf des allerhöchsten Morgenlaufs: „Ich eilte gegen das Jägerhaus in der Meinung, wenn ich beim Thürl hinein gehe, wo der Weg zum Jägerhaus führt, bin ich vor ihm sicher, soweit wagt Er mir nicht nach zulaufen. Ich eile hinein bin meinem Mädchen weit voraus, laufe noch ein Stückchen Weg wie ein Schulkind, u. bleib um Luft zu schöpfen stehen. Ich blick mich nach der Lini um u. sehe o Entsetzen auch den Kaiser hier. Also von neuem laufen, doch ich höre seinen Tritt immer näher, jetzt ist Er knapp hinter mir, – – da von entgegen gesetzter Seite kommt ein Burgwächter ich bin erlöst, der Kaiser verschwindet.“ Die Aufzeichnungen von Anna Nahowski sind in zierlicher Kurrentschrift verfasst und füllen gut 200 eng beschriebene Seiten ihres Tagebuchs, ein schwarz gebundener „Kleinoktavband“ (also etwas

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