AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
erschöpft hinter die hohen Gitterzäune flüchten. Vor den Toren lagern schon wieder dutzende Journalisten.
In London versucht Winston Churchill mit einer Rede im Unterhaus die Stimmung zugunsten des Königs zu drehen. Doch der konservative Politiker hat in seiner eigenen Partei keine Chance. Churchill kann nicht einmal seine Rede beenden, Zwischenrufer stören.
Die Staatskrise spitzt sich in einer Parallelaktion zu. Hier London, da Cannes. In ihrem Fluchtort verfasst Wallis eine Presseerklärung. Sie sei bereit, Edward aufzugeben, um die Krone nicht zu gefährden. Dem Drängen ihrer Begleiter, mit klaren Worten auf eine Hochzeit zu verzichten, widersteht sie. In London macht sich ihr Anwalt Theodore Goddard auf den Weg zum Flughafen Croydon. Ein Regierungsflugzeug – von Premierminister Baldwin zur Verfügung gestellt – soll den Advokaten an die Côte d’Azur fliegen. Er will Wallis überreden, ihr Scheidungsbegehren zurückzuziehen. Keine Scheidung von Mr. Simpson, keine Ehe mit Edward VIII. Das Problem wäre gelöst. Doch die Amerikanerin lehnt auch diesen Vorstoß ab. Sie zieht ihre Scheidungsklage nicht zurück, erklärt allerdings in einem Telefonat ihrem geliebten König, dass sie ihn aufgeben werde, damit er die Krone behalten könne. Alles zu spät. Edward VIII. hat seinen Rücktritt längst beschlossen. Anwalt Goddard, dessen Kanzlei auch in der „Profumo-Affäre“ eine bedeutende Rolle spielen wird (siehe S. 245 ff.), resümiert: „Mein Klient war bereit, alles zu unternehmen, um die Situation zu entspannen, aber die andere Seite hatte sich festgelegt.“ Erst sieben Jahrzehnte später taucht ein handgeschriebenes Dokument auf, das die Einschätzung des Londoner Advokaten unterstützt. „Mit dem tiefsten persönlichen Schmerz wünscht Wallis Simpson bekanntzugeben, dass sie jede Absicht, seine Majestät zu ehelichen, aufgegeben hat.“ Dieser Satz, mit Bleistift von Lord Brownlow geschrieben, hätte den Lauf der Geschichte verändert. Zu spät.
Edward VIII. wollte nicht mehr. Er entsagte der Krone. Die schriftliche Erklärung über seine Abdankung wurde von allen drei jüngeren Brüdern unterzeichnet. Prinz Albert, Herzog von York, wurde durch seine Unterschrift König George VI. „Nach langer und sorgfältiger Überlegung habe ich mich entschlossen, auf den Thron zu verzichten, auf den ich nach dem Tod meines Vaters nachgefolgt bin. Ich teile das als meine endgültige und unumstößliche Entscheidung mit. Weil ich mir der Bedeutung dieses Schrittes bewusst bin, kann ich nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass ich das Verständnis des Volkes für diese Entscheidung und die Überlegungen, die mich dazu führten, finde. Ich möchte nicht meine privaten Gefühle offenlegen, aber ich ersuche um Verständnis dafür, dass ich die schwere Last, die ein Souverän ständig auf seinen Schultern spürt, nur in Umständen ertragen kann, die sich von jenen unterscheiden, in denen ich mich jetzt befinde.“
Regierung und Oberschicht des Königreichs waren durch die Abdankung erleichtert. Eine Verfassungskrise konnte gerade noch vermieden werden. Der beim Volk beliebte, aber unberechenbare König war endlich aus dem Amt geschieden. Sein nicht besonders loyaler Privatsekretär Alan Lascalles, dessen Beobachtungen über die Sympathien des Königs und vor allem seiner Geliebten zum deutschen Nazi-Regime erst im Jahr 2003 veröffentlicht werden durften, hatte aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Dem Premierminister sagte er: „Das Beste, was ihm und dem Land passieren kann, ist, dass er sich beim Hindernisreiten den Hals bricht.“
Nach seinem Rücktritt und der Degradierung zum „Herzog von Windsor“ konnte ihm der Premierminister eine öffentliche Erklärung nicht versagen. Der nunmehrige Herzog von Windsor trat im königlichen Schloss vor die Mikrofone der BBC und hielt eine Rede an seine (ehemaligen) Völker: „Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass es für mich unmöglich war, die schwere Last der Verantwortung zu tragen und die Pflichten eines Königs so zu erfüllen, wie ich es wollte, ohne die Hilfe und die Unterstützung der Frau, die ich liebe.“
„The woman I love.“ Mit diesen Worten beendete der König, der er nicht mehr war, ein monatelanges Ringen um die Beziehung zu der Frau, die Edward nicht nur als Geliebte haben, sondern als Ehefrau zur Königin machen wollte. Es ist der Stoff, aus dem Legenden gestrickt und Filme gedreht werden. Die amerikanische Sängerin
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