Affären

diesem Abend saßen wir zusammen, lasen uns abwechselnd Geschichten vor und endeten nackt und aneinander gepresst im klösterlichen Kinderbett, das zur Standardausstattung der Zellen gehörte. Nach dem Seminar trafen wir uns ein oder zwei Mal im Monat zum Essen, oder wir lasen aus unseren Arbeiten, und gewöhnlich endete der Tag mit uns nackt und tollend in einem schönen breiten Bett.
    Ich bin nur eine Studentin kurz vor den Examen, aber Georgy, Georgina Marin, ist eine Schriftstellerin. In englischer Sprache hat sie zwei Romane veröffentlicht, und in spanischer Sprache einen Gedichtband. Die Romane waren bescheidene Verkaufserfolge, aber der Gedichtband, Cosas Hermosas, befindet sich in der dritten Auflage. Sie hat einen Sohn und eine Tochter in der High School, und sie ist verheiratet mit dem ehrenwerten Osvaldo Marin, dem ersten Latino, der als Richter am 36. Bezirksgericht Recht spricht. Kürzlich ist er zu einer zweiten Amtszeit wieder gewählt worden.
    »Ich liebe mein Leben. Ich liebe meinen Mann«, versicherte sie mir, als wir in einer Nische der Sportbar in der Altstadt saßen. »Aber ich fürchte, dass das Feuer unserer Liebe erstickt ist.«
    »Aber Georgy«, hielt ich dagegen, »es gibt andere Möglichkeiten, ein Feuer neu zu entfachen. Du nimmst alles so extrem.«
    »Es muss was Extremes sein, damit er es überhaupt zur Kenntnis nimmt, Lupe. Er ist total konsumiert von seinem Leben, aufgezehrt von der Wahlkampagne, genervt von der Langeweile am Gericht und von seinen Pflichten als Vater. Es ist meine Aufgabe, die Monotonie zu bekämpfen, die sich nach zwanzig Jahren in eine Ehe schleicht.«
    »Aber ist es nicht sehr extrem, dass ich deinen Mann verführen soll, der dich noch nie betrogen hat? Ich glaube auch nicht, dass es ihn so richtig durchschütteln wird, wenn er mit mir schläft.«
    »Es geht nicht um eine Sexnacht. Ich will ihn in eine Affäre verwickeln, in der seine Emotionen ebenso in Anspruch genommen werden wie seine Libido. Sie soll seine Lust erneuern, seine Erinnerung an die Leidenschaft.«
    »Wenn die Affäre also vorbei ist, wird er dann zurück in dein Gemach stolpern, von Schuld geplagt, aber erfrischt und zur Buße bereit?« Ich schürzte die Lippen, um meine Zweifel zu zeigen.
    »Genau«, sagte sie, ignorierte meine Zweifel und hob ihr Glas. »Und bis dahin werde ich deine Schauspiellehrerin sein und die Regisseurin dieser kleinen Farce.«

 
    Wir kauften mit Bedacht ein für meine erste Begegnung mit dem Richter. Wir waren nach Somerset gefahren, wo es ein teures, exklusives Einkaufszentrum gibt, das ich so gut wie nie besuche. Aber dies war Georgys Schau, und sie kostete des Richters Geld, deshalb dachte ich, sollte er bekommen, was er haben wollte. Aber Georgy meinte auch, dass er mich das erste Mal eher prüde sehen wollte, denn halb ausgezogene Frauen sah er jeden Tag im Gerichtssaal: Brüste und Schenkel aller Formate sprengten enge Blusen, Miniröcke und enge Kleider. Offenbar glaubten alle Frauen, dass sie ein ihnen genehmeres Urteil erhielten, wenn es ihnen gelang, den Richter abzulenken. Natürlich gab es auch weibliche Anwälte, in strenge Anzüge gekleidet, die ihre Weiblichkeit eher unterdrückten. Georgy versprach, dass wir diese Phantasien später erforschten.
    Sie sagte, wir sollten mit meiner Jugend spielen und etwas Frisches nehmen, das Verspieltheit andeutete und Reinheit verkündete. Offenbar war der Ehrenwerte Ozzie ein schmutziger Typ, der seine lüsterne Latino-Seele nicht verhehlen konnte, wenn die Verlockung nahe war.
    Ja, Georgy kannte ihn gut, schließlich waren sie über zwanzig Jahre verheiratet. Georgy war ein Mädchen von achtzehn gewesen und hatte die High School gerade hinter sich gehabt, während Ozzie die Juristenschule abgeschlossen hatte, als sie heirateten. Aber sie hatten sich schon lange vor der Feier geliebt, die ihren Bund legalisierte. Sie und Ozzie hatten im selben Block in Levittown am Stadtrand von San Juan gelebt. Ihre Mütter waren befreundet gewesen, und Ozzie war zusammen mit ihrem älteren Bruder Victor zur Schule gegangen.
    Als unsere Absätze auf den rosa Fliesen des Einkaufszentrums klackten, erzählte Georgy, wie sie Victors Freund Ozzie das erste Mal als etwas anderes als ein Ärgernis wahrnahm. Damals war sie etwa dreizehn Jahre alt.
    »Er muss damals zwanzig gewesen sein.« Sie schaute mich an und grinste.
    »Dieser Lustmolch!«
    »Nein, nein. Er hat sich untadelig benommen. Zuerst hat er mich nur angestarrt, wenn er glaubte,