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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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vernommenen Todesschrei, den Anica indes von seinem Munde ablas, stürzte er zur Erde.
    Corporal Nymiah stolperte heran, seine zusammengerafften Sachen in Händen. „Weshalb habt ihr das Ding nicht ohne mich geschaukelt?“ ließ er sich ebenso lautstark wie ironisch vernehmen. „Ihr seid so viele und ich bin ganz allein. Darin besteht doch die ganze Kriegskunst!“
    Zudeck-Perron drängelte sich an den einsteigenden Soldaten vorbei in die zweite Maschine. Anica folgte ihm mit laufender Kamera. Nymiah stand an der Luke und half ihr herein. „Sie sollten sich dann rasch die Kleinigkeit an ihrem Kopf reparieren lassen, Ma´am“, sagte er. „So etwas habe ich noch nicht gesehen. Wenn das nichts ist!“
    „Ein Streifschuss“, sagte die Journalistin, hob den Camcorder und filmte den Oberleutnant, dessen Gesicht Züge von Traurigkeit, Erbitterung und Verzweiflung aufwies, und Corporal Nymiah, der neben der Luke in die Knie ging, sich erbrach. Keines der stumpfen Gesichter wendete sich ihm zu.
„Geht´s wieder, Paul?“ fragte Anica die Kamera schwenkend. In ihrer Stimme schwang Mitleid.
    „Es geht manches“, erwiderte Zudeck-Perron mit leiser Stimme. „Man weiß nur nicht wie lange.“
    „Übermorgen haben Sie alles vergessen“, entgegnete sie und vergewisserte sich, dass das Mikrophon eingeschaltet war.
    „Ich hätte mich auf die Sache nicht einlassen dürfen, Anica.“
    „Das sagen Sie jedes Mal, Zudeck-Perron, doch sobald sich Ihnen eine lukrative Geschichte bietet, steigen Sie ein.“
    „Nie mehr!“ beteuerte er. „Das war das letzte Mal.“
    „Jetzt können Sie sich wieder mal dagegen auflehnen, dass der Krieg die Menschen so zurichtet“, ließ sich erneut Corporal Noah Nymiah vernehmen, gerichtet an den verbittert auf seine Füße starrenden Oberleutnant; dann wandte er sich an die Journalistin. „Diese Anwandlung überkommt ihn zwar äußerst selten, doch dann mit umso größerer Wucht. Man kann sich schließlich doch nicht ständig diese blutige Anhäufung von Verwundung und Tod vor Augen führen, die fast jeder von einem erteilte Befehl im Kampf zur Folge hat. Gibt er einen Befehl – sterben Menschen. Zieht er einen Strich auf der Karte – sterben Menschen. Schreit er ins Funkgerät, weil die Lage es erfordert, dass er brüllt und...“
    „Shut up, Corporal!” fuhr der Oberleutnant dazwischen. „Sie samt Ihrer verfluchten Ironie finde ich so was von zum Kotzen.“
Der Offizier schwieg einen Moment und fuhr dann, in Anicas Kamera blickend, fort: „Liegt es nicht in der Natur der Sache: die täglichen Verwundungen und Todesfälle, die unvermeidlichen Ausfälle durch eigenes Feuer und eigene Minen und die vielen anderen blutigen Vorfälle?“
    „Nur an Tagen wie diesem sollte es einem ergehen wie einem Menschen, der seine Umgebung urplötzlich mit ganz anderen Augen sieht und sich auf einmal dagegen auflehnt, dass es auf diesem Globus seit fünfzig Jahren über hundert Kriege gegeben hat und gibt, die tagtäglich von früh bis spät lebendige Menschen in Stücke reißen, verstümmeln oder zerbrechen.“ Die Journalistin hatte das leise gesagt und eindringlich, und nahm den Oberleutnant und den Corporal ins Visier des Kameraobjektivs und Richtmikrophons.
    „Nach harten Kämpfen sieht man alles ein wenig überspitzt.“
    „Was heißt hier `harte Kämpfe´? Man kämpft erfolgreich oder erfolglos. Jeder Kampf wird für eine von beiden Seiten erfolglos enden. Doch harter Kampf? Wer hat denn wem hart zugesetzt? Wir ihnen oder sie uns? Na ja, so gesehen, ist was dran: Wer von der anderen Seite große Verluste beigebracht bekommt, für den ist der Kampf hart.“
    „Man muss das Leben der Soldaten am eigenen Leibe spüren. Dann weiß man am besten, was im Krieg möglich ist und was nicht.“
    „In jedem Krieg kommt irgendwann einmal für jeden die Stunde, da der Gegner, dem man schon nicht mehr viel zugetraut hat, sich an diesem Ort und zu dieser Zeit unvermerkt als überlegen erweist. Doch hält das nicht an...“
    „Südslawische Hammeldiebe, verfluchte“, murmelte Zudeck-Perron zähneknirschend, unbeachtet.
    Der Helikopter war gerade im Begriff abzuheben, als einer der Fotoapparate mitführenden Soldaten an die Trittleiter humpelte, um zu knipsen, ins Stolpern geriet und von den Eisenstreben abglitt, wobei sich das Trageband seiner Kameratasche am oberen Ende der Trittleiter verfing, den nun freihängenden Soldaten strangulierend. In zwanzig Metern Höhe hielt das Band das menschliche

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