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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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hinunter, er duckte sich tief, presste seinen Körper an den Boden neben dem Toten. Kalte Schweißströme brachen aus all seinen Poren, die Hände zitterten unkontrolliert. Zudeck-Perron erwartete den nächsten Schuss.

48 Der Wacholderkämpfer und der Kriegsreporter
     
    Der Mann unter dem Wacholderstrauch ließ sein Gewehr sinken. Die zweite Person am Saum der Kuppe sollte endlich aufspringen und davonrennen. Ein Bildreporter, na und? Er dachte an die Order, solche Leute nicht anzugreifen, solange sie nicht am Kampf teilnahmen.
    Jetzt mach schon, sagte er tonlos, damit ich das Handy holen kann.
    Zudeck-Perron indes wartete immer noch auf den Schuss. Doch nichts tat sich. Der Talkessel starrte schwarz und schwieg. Er muss mich gesehen haben, dachte er. Ich bin direkt hinter dem Soldaten hergegangen. Unmöglich, dass er mich übersehen hat. Er muss über eine Waffe mit Nachtsichtgerät verfügen, das beweist sein perfekter Schuss.
    Geduld, sagte der Mann im Wacholder zu sich selbst, du siehst doch, dass er eine Heidenangst hat.
    Warum schießt er nicht auf mich? Die Aussicht, dass irgendwo vor ihm, vielleicht in nur wenigen Metern Entfernung, eine Gewehrmündung auf ihn gerichtet war, zermürbte den Fotograf. Weg, dachte er, ich muss fort von hier. Bestimmt hat er mich aus den Augen verloren, als ich mich zu Boden geworfen habe. Nun versucht er näher zu schleichen, um mich wieder ins Schussfeld zu bekommen. Warum bin ich Hornochse nur so lange liegengeblieben?
Ich verstehe das, überlegte der Mann im Hinterhalt, aber jetzt sollte der Fremde froh sein, dass er kein Soldat ist und fortlaufen.
    Zudeck-Perron begann zu kriechen. Zunächst bedächtig, jede Sekunde auf den tödlichen Schuss gefasst, dann schneller werdend, schließlich auf allen Vieren. Lepa Brena, dachte er, ich besitze nicht mal ein Foto von der kleinen Bosnierin, der Film mit den Bildern ist ja leider hin. Er stöhnte. Stachelige Ranken hatten seine Kleidung auf der gestrüppzugewandten Seite zerrissen, ein Ärmel seiner Lederjacke war zerfetzt, ein Hosenbein in voller Länge aufgeschlitzt. Kriegsmode, dachte er, und stöhnte auf, weil die scharfen Felskanten blutige Rillen in die Haut seiner Hände und Knien gerissen hatten. Endlich erhob er sich ächzend und hastete auf zwei zittrigen Beinen weiter um die Kuppe herum in die Richtung, die der tote Soldat eingeschlagen hatte.

49 Die Sicherheit der Einheit
     
    Anica Klingor und Noah Nymiah schmiegten sich eng an den steinigen Erdboden. Sie sahen eine Eidechse den Kopf recken, in einem ihrer Augen spiegelte sich die noch breite Mondsichel, ehe sie unter dem noch warmen Stein verschwand. Nicht eben häufig, doch auch nicht selten explodierten ringsum wieder Granaten. Wenn sie einschlugen, stiegen schwärzliche Säulen auf, Pulvergeruch breitete sich aus.
    „Das gilt nicht uns persönlich“, stellte der Corporal trocken fest. „Störfeuer.“
    „So, so“, presste die Reporterin durch die Zähne.
    Ob es ihnen galt oder nicht, jedenfalls lagen sie schon fünf bis zehn Minuten in ihrem Loch, und die Granaten schlugen nacheinander mal links, mal rechts, dann wieder vor und hinter ihnen ein. Anica und Nymiah verspürten diese Angst, dieses sonderbare Gefühl, das nach den eben erst überstandenen heiklen Erlebnissen nicht abgestumpft war, sondern sich im Gegenteil noch verstärkte. Stumm lagen beide da, ohne Lust zu reden, keinen klaren Gedanken fassend, unfähig einander zu beruhigen, und ihr einziger Wille war, so bald wie möglich das Ende zu erleben, ohne dass es sie erwischte, und so rasch wie möglich von hier wegzukommen. Der Gedankengang schien in eine Wiederholung, schließlich in eine Endlosschleife zu münden. Genauso plötzlich, wie es eingesetzt hatte, brach das Feuer ab. Das gesamte Terrain ringsum war von Granateinschlägen zerfurcht, gezeichnet vom Krieg, riechend nach Krieg.
    Die Journalistin und der Corporal hoben die Köpfe. Der Krieg ging seinen Gang, gleichwohl beabsichtigte das Schicksal wohl nicht, sie tot auf diesem Schlachtfeld liegen zulassen.
Der Mann aus dem Wacholder kroch unter dem Strauch hervor, schlich zu dem getöteten Soldaten, entwand ihm vorsichtig die Maschinenpistole, die Tasche mit den Magazinen sowie das Funktelefon und verschwand wieder dorthin, wo er herausgeschlüpft war.
    Zudeck-Perron hatte die Kuppe hinter sich gelassen, war halbtot vor Angst und überlegte, ob er auf die Stelle mit den in die Luft ragenden Helikopterwracks zulaufen sollte. Er zitterte am

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