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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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`Image-Revue´ gewesen, als ich eine Razzia in einem Kloster leitete. Die Frau eines Kameraden hat das Bild entdeckt, ausgeschnitten und nach Hause geschickt.“
    „Was werden Sie mit den Leuten aus den Hütten machen?“ wollte Anica wissen. Der Hauptmann schob das Magazin in den Pistolenknauf zurück. Obwohl seine Bewegungen etwas Ungelenkes an sich hatten, ließ sein Gesichtsausdruck Intelligenz erkennen; das zeigten ihr seine wachen Augen über der aristokratischen Höckernase, sein energischer Mund, die auf und ab wandernden Augenbrauen und die sich faltende Stirn. Ohne seine Uniform würde er durchaus als Spätsemester der Universität Sarajevos durchgehen können, dachte Anica.
    „Erschießen“, antwortete der Hauptmann leichthin.
    „Zasto? Warum?“
    „Vielleicht nicht alle“, gab er einschränkend zurück. „Aber einige auf jeden Fall. Die übrigen ab nach Lapovo. Das sind Terroristen. Und haben die Leute gedeckt, die die Bombe gelegt haben. Das genügt, um sie für lange Zeit in Lapovo festzuhalten.“
„Möglicherweise ist ein Kommando der Belagerer über den Fluss gekommen, ohne dass die Hüttenbewohner sie gesehen haben“, wandte sie ein.
    „Etliche von ihnen paktieren mit den bosnischen Serben, das ist klar, sonst wären unsere Erfolge mit Allahs Hilfe größer“, erwiderte er achselzuckend. Er gab sich nicht die geringste Mühe, seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal dieser armseligen Menschen vor der Journalistin zu verbergen. Vielleicht war er der Sohn eines Händlers vom Hauptmarkt oder eines Handwerkers aus der Schmiedegasse. Anica wusste, seit Titos Tod wurden viele der Kinder solcher Leute im Geiste der alten Ressentiments erzogen und in Schulen geschickt, in denen sie Hass lernten auf die sogenannten Besatzer, die sie wie Ungeziefer behandelten und nach ihrer Vernichtung trachteten. Die Journalistin hörte oft, dass die Kriegsverbrechen der Belagerer an den Abtrünnigen sie in ihrem Glauben an ihre gerechte Sache bestärkten, so wie diese die Bekämpfung der Renegaten für rechtmäßig geboten hielten. Immer wieder spürte die deutsche Reporterin Beklemmung und Zwiespalt in einem Land, das in der Tradition stand der Ustascha, der Tschetniks, aber auch des heroischen Partisanenkampfes unter der Führung von Josip Broz Tito, was seine Fortsetzung fand in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen sowie den verfeindeten Fraktionen untereinander.
    „Beim Verhör behaupten sie, von nichts etwas zu wissen“, sagte der Offizier hart; seine flache Hand durchschnitt die Luft in einer abrupt-energischen Bewegung. „Nur Lügen kommen aus ihrem Mund.“
    „Dann sind es Notlügen“, hielt ihm Anica heftig entgegen und verschränkte die Arme. „Für Ihresgleichen.“ Weil du keine Ahnung hast, was das Volk wirklich empfindet, dachte sie, und weil es dich nicht im Geringsten interessiert. Der kleine Hauptmann denkt an seine Macht über die ihm unterstellte Kompanie, Pope und Imam jeweils an die über ihre gläubige Gemeinde, der Vater an die über seine Familie, und die Kinder treten in ihre Fußstapfen.
    „Deshalb muss man sie erschießen, Madam“, erklärte der Hauptmann kopfnickend und setzte eine gewichtige Miene auf. „Das ist meine Pflicht, die ich erfüllen muss. Ich sorge dafür, dass sie an die Wand gestellt werden. Wie die anderen. Das ist am sichersten. Auf einzelne kommt es nicht an, wenn wir uns nur Gottlosigkeit und falschen Glauben vom Leibe halten können.“
    „Haben Erschießungen stattgefunden?“ fragte Anica wie beiläufig.
    „Das geht Sie nichts an“, raunzte der Hauptmann. „Krieg ist keine Urlaubssafari. Da kann es jeden treffen, wenn er nur dicht genug dabei ist. Das müssen Sie doch am besten wissen nach der Geschichte mit dem tschetschenischen Paniklegionär!“
    Anica schwieg betroffen. Jedes noch so treffende Argument würde unter diesen fatalen Umständen fruchtlos an dem Hauptmann abprallen.
    „Hören Sie!“ sagte er eindringlich, fast einlenkend. „Es handelt sich wirklich um gefährliche Sektierer. Die sind doch klammheimlich direkt froh, ohne Umweg in ihr Paradies einziehen zu können.“
    Du irrst dich, dachte Anica, und wirst es vielleicht niemals verstehen; aber wie könnte ich es dir auch begreiflich machen. Resigniert wendete sie sich ab.
    Äußerste Konfusion herrschte dort, wo die entkleideten Hütten- und Zeltbewohner auf den Steinen kauerten. Anica hörte Frauen verzweifelt

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