African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
wurden. Jede Messe konnte für mich die letzte sein. Erst nach zwei Jahren, 1994, erhielt ich eine Festanstellung.
Ich habe damals monatlich zwischen 1200 und 1400 Mark verdient, je nachdem, wie viele Stunden ich arbeiten konnte. Das war nicht viel, doch ich hatte mich mittlerweile daran gewöhnt, mit wenig auszukommen. Ich wohne wie gesagt noch heute in einer Genossenschaftswohnung. Die Miete ist nicht hoch und ich lebe bescheiden.
Meine Vorarbeiterin mochte mich nicht. Ich war die einzige Schwarze in der Belegschaft und sie teilte mir grundsätzlich die unangenehmsten, schwierigsten Arbeiten zu. Ich erledigte allespünktlich und zuverlässig. Oft war ich verzweifelt und fragte mich, warum sie es gerade mir so schwer machte. Die Personalchefin hingegen konnte mich gut leiden, und da sie die Wochenpläne ausarbeitete, wurde ich von ihr oft für einfache und verantwortungsvolle Aufgaben eingeteilt. Doch die Vorarbeiterin schrieb die Pläne regelmäßig um. Mit der Zeit lernte ich, mich dieser Schikane zu fügen und mein Bestes zu geben, wo auch immer sie mich hinschickte. Ich wusste, was es heißt, eine Stelle zu verlieren, und ich gab mir Mühe. Ohnehin ist es einfach meine Art, mich in allem, was ich mache, voll zu engagieren.
Die eigene positive Einstellung kann letztendlich Wunder bewirken. Womit wir auch konfrontiert werden, es ist immer das Wichtigste, unser Bestes zu geben und aus einer solchen Situation etwas für sich selbst herauszuziehen. Der Vorteil meiner damaligen Lage war, dass ich bald jeden Winkel der Messe kannte und mit jedem Einzelnen, der dort arbeitet, schon einmal zu tun hatte. So war das Ganze für mich am Ende erträglich. Dennoch wollte die Vorarbeiterin mich nach fünf Monaten wieder hinauswerfen.
Der Grund hierfür war einfach und verständlich: Noch immer sprach ich so gut wie kein Wort Deutsch, weshalb es schwierig war, mit mir zu kommunizieren. Ein paarmal hatte meine Vorarbeiterin mir etwas aufgetragen, aber ich hatte sie nicht richtig verstanden, wodurch die Firma in Schwierigkeiten gekommen war.
»Es tut mir leid, Harriet«, sagte sie, »ohne Sprachkenntnisse hat es einfach keinen Zweck mit dir.«
Ich war verzweifelt. Natürlich wusste ich, dass sie recht hatte. Schon längst hätte ich die Sprache lernen müssen und war nun auch entschlossen, das nachzuholen.
»Bitte«, brachte ich unter Tränen hervor, »ich verspreche dir, dass ich Deutsch lernen werde.«
»Und wie willst du das tun?«, fragte sie skeptisch.
»Ich mache einen Deutschkurs. Morgen bringe ich dir die Anmeldung mit.«
Sie überlegte eine Weile. Dann sagte sie: »Na gut. Wenn du mir morgen wirklich diese Anmeldung zeigst …«
Ich hielt mein Versprechen. Bei einer privaten Sprachschule belegte ich einen Intensivkurs, der dreimal wöchentlich für vier Stunden stattfand. Er kostete mich eine Menge Geld, das ich mir von meinem bescheidenen Gehalt abzwacken musste. Zudem konnte ich nicht voll arbeiten, da ich schließlich die Kurse besuchen musste. Es war eine harte Zeit. Fast ein Jahr lang lernte ich Tag und Nacht und wiederholte die Lektionen bei der Arbeit laut, während mich meine Kolleginnen verbesserten. Wie ein Papagei plapperte ich ihnen alles nach, bis ich es konnte. Und von Woche zu Woche bemerkte die Vorarbeiterin meine Fortschritte und war zufrieden.
Im Nachhinein bin ich ihr dankbar dafür, dass sie mich zu diesem Schritt gezwungen hatte. Als Einwanderer kann man jahrelang in Deutschland leben, ohne die Sprache zu lernen. Doch man gehört auf diese Weise nie wirklich dazu, sondern ist auf die Kreise der Landsleute angewiesen und schaut über diesen Tellerrand nicht hinaus. Ich aber wollte mein Leben in Deutschland besser nutzen. Auch wenn Anthony alles daransetzte, um es mir zur Hölle zu machen.
Am liebsten hätte ich mich direkt nach der Beerdigung meines Vaters scheiden lassen. Doch meine Anwältin, die ich noch aus meiner Zeit im Frauenhaus kannte, hatte mir davon abgeraten. Zum einen wegen der Kosten und zum anderen wegen der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis.
»Warum wartest du nicht einfach ab, bis er die Scheidung einreicht?«, schlug sie vor. »Dann muss er die Kosten tragen.«
Inzwischen hatte ich beschlossen, in Deutschland Fuß zu fassen. Ich fürchtete mich davor, nach Ghana zurückzukehren; Anthony hatte mir schlimme Dinge angedroht, sollte ichdas tun. Aber auch in Deutschland versuchte er, mir jede Menge Steine in den Weg zu legen.
Eines Tages kam meine Vorarbeiterin zu mir:
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