African Boogie
war?«
»Ich glaube zumindest nicht, dass es so passiert ist, wie Polanski behauptet. Dass der Amendt einfach durchgedreht ist und deine Familie abgeschlachtet hat.«
»Warum nicht?«
Kurtz hielt einen Moment nachdenklich inne. Schließlich sagte er: »Lies die Akte. Wenn noch jemand Licht in die Angelegenheit bringen kann, dann du.«
Kurtz hatte gerade Espresso gemacht, als Hans mit der guten Nachricht kam, er habe zwei passende Mädchen gefunden. Es war Zeit aufzubrechen.
Als Katharina, Hans und Lutz wieder in den Maybach stiegen, fragte Kurtz noch: »Brauchst du sonst noch irgendetwas? Geld?«
Katharina schüttelte erst den Kopf. Dann fiel ihr doch noch etwas ein: »Ein Auto. Einen Golf oder so. – Und, ach ja, du kennst den Hintereingang zu meinem Haus?«
Katharina hatte schon vor einiger Zeit entdeckt, dass man ihr Haus auch über die Parallelstraße erreichen konnte. Man ging in eine bestimmte Hofeinfahrt. Von dort kam man in Katharinas Nachbarhaus. Die Keller beider Häuser waren über eine Tür verbunden.
»Dann komm bitte mit den Mädchen dort rein. Und stell den Wagen auf dem Hof ab.«
Der schwere Wagen rollte wieder aus der unscheinbaren Einfahrt. Hans fädelte den Maybach in den Verkehr ein.
Katharina legte ihm die Hand auf die Schulter. Da war noch etwas, das sie gleich erledigen konnte. »Hans, fahr doch bitte mal in die Richard-Wagner-Straße. Zweite Querstraße rechts.«
»A. Amendt« stand neben der obersten Klingel. Katharina drückte auf den Knopf. Keine Reaktion. Sie trat zurück und schaute nach oben. Die obersten Stockwerke waren dunkel. Vermutlich saß Amendt Gitarre spielend im »Blue Café«, dem Laden seiner mütterlichen Freundin. Sollte sie ihn dort konfrontieren? Nein! Kurtz und Polanski hatten recht. Sie hatte wirklich wichtigere Probleme.
In The Shadow
Andreas Amendt hatte das Licht nicht angeschaltet. Er saß im Dunkeln auf seinem Wohnzimmersofa. Auf seinen Lippen spürte er noch immer den verdammten Kuss. Er hätte es nie so weit kommen lassen dürfen. Er hätte es ihr schon längst sagen sollen. Aber wie?
»Ach übrigens, Frau Klein: Ich war der Verlobte Ihrer Schwester. Der Vater ihres ungeborenen Kindes. Und ich habe wahrscheinlich in einem Wahnanfall Ihre Familie abgeschlachtet.«
Alles wäre sehr viel einfacher, wenn er wirklich wüsste, was damals passiert war. Doch er hatte nur ein paar unscharfe Erinnerungen. Einzelne Bilder, Momente. Susannes letzter Kuss. Der letzte Kuss, den er überhaupt von einer Frau bekommen hatte, bis ihn Katharina Klein geküsst hatte. Vorhin. Auf dem Flur des Präsidiums. Sie küsste genauso wie ihre Schwester. Sanft. Tastend. Die Zungenspitze zärtlich suchend.
Amendt schloss die Augen. Wieder sah er die Bilder vor sich, die ihn bis in seine Träume hinein verfolgten: Bilder vom dritten Dezember 1991.
Er war direkt aus dem Krankenhaus zu seiner Verlobten gefahren. Ein Patient hatte während seiner Schicht einen schweren Krampfanfall erlitten. Er hatte sich die Zunge abgebissen und war daran erstickt. Sie hatten ihn nicht mehr retten können.
Susanne hatte ihm die Tür geöffnet. Sie hatte gleich gesehen, dass er fertig war mit den Nerven. Sofort hatte sie ihm angeboten, sich in ihrem Zimmer etwas hinzulegen. Sie war mit ihm nach oben gegangen. In ihr Zimmer, in dem immer ein unbeschreibliches, aber sehr sympathisches Chaos herrschte. Er hatte nur die Schuhe abgestreift und sich auf das Bett fallen lassen. Susanne hatte ihn zugedeckt. Und dann hatte sie ihn geküsst. Das war das Letzte, woran er sich erinnerte, bis …
… bis ihn die beiden Polizisten aus der Dusche gezerrt hatten. Er war nackt gewesen. Das heiße Wasser war wuchtig aus der Massage-Brause auf ihn herabgeprasselt. Dennoch hatte er gefroren. Das Badezimmer war neblig vom Wasserdampf. Seine Kleidung lag unordentlich auf dem Boden. Blutverschmiert. Deshalb hatten sie ihn in einen weißen Einweg-Overall aus Plastik gesteckt. Dann hatten sie ihm Handschellen angelegt und ihn auf dem Rücksitz eines Streifenwagens sich selbst überlassen. Bis Polanski kam. Dann erst hatte er erfahren, was passiert war. Was er getan hatte. Natürlich war er es gewesen. Wer denn sonst? Die Schizophrenie seiner Mutter hatte ihn endlich eingeholt. Auch sie war eines Tages durchgedreht. Hatte mit einem Messer auf seinen Vater und ihn eingestochen: Die drei Narben auf seinem Brustkorb legten davon Zeugnis ab. Doch die Stiche hatten alle wichtigen Blutgefäße und das Herz
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