African Boogie
heranzuziehen, setzte sich neben ihn, bereits wieder auf der Pirsch. Katharina verkniff sich ein Schmunzeln, als sie Amendts gequältes Gesicht sah. Aber da sollte er jetzt mal alleine rauskommen. Sie selbst war zu sehr damit beschäftigt, diesen Bogen in den Griff zu bekommen. Das Spannen klappte – auch Augustin nickte anerkennend, vermutlich hatte er ihr die Kraft dafür nicht zugetraut –, doch das Loslassen der Sehne riss ihr fast den Bogen aus der Hand. Augustin zeigte ihr, wie sie einen besseren Halt fand und wie sie den Bogen ausbalancieren musste. Dann setzte er seine Runde fort.
Endlich war er zufrieden: »Gut, dann machen wir mal Ernst. Erste Runde: Jeder hat einen Pfeil. Wem es gelingt die Scheibe zu treffen, der kommt eine Runde weiter.«
Katharina war als letzte an der Reihe: Vor ihr hatten es überhaupt nur fünf Gäste geschafft, die Scheibe zu treffen: Dirk-Marjan, Jean-Luc, der sich gleich über die »Grande Nation der Jagd« ausließ, Darissa von Heuth, die eine gute Amazone abgab, dann der Herr Studienrat, der sich während Augustins Vortrag eifrig Notizen gemacht hatte – vermutlich würde er beim Abendessen seinen Tischgenossen einen Vortrag über die Jagd in Afrika halten –, und zuletzt Albert Norrisch, der weißhaarige Arzt, der sich freute wie ein Kind, als sein Pfeil gerade eben noch in den Rand der Scheibe einschlug.
Katharina nahm den Pfeil und spannte den Bogen. Was würde ihr Kendo-Trainer Hiroshi jetzt sagen? »Stell dir vor, wie du den Gegner triffst. Und dann überlege, wie du dorthin kommst.«
Katharina atmete langsam aus. Sie stellte sich vor, wie der Pfeil von der Zielscheibe zurück auf ihren Bogen flog. Sie fixierte ihr Ziel. Dann ließ sie die Finger, die die Sehne hielten, locker und schnappte gleichzeitig mit dem Handgelenk ihrer Bogenhand, wie es Augustin ihr gezeigt hatte. Der Pfeil flog und schlug am Rand des innersten der konzentrischen Kreise auf der Scheibe ein. Katharina ließ zufrieden den Bogen sinken.
»Sehr gut.« Augustin klatschte in die Hände. »So! Dann kommen wir zum Finale. Drei Pfeile für jeden. Fünf, vier, drei, zwei oder einen Punkt, je nach Ring.«
Albert Norrisch machte den Anfang. Nur einer seiner Pfeile traf wenigstens den Rand der Scheibe. Dennoch freute er sich erneut riesig.
Darissa von Heuth verschoss ihren ersten Pfeil, der Zweite traf den innersten Kreis. Der Dritte schlug ganz außen ein. »Sechs Punkte«, verkündete Augustin. Darissa von Heuth war nicht zufrieden und setzte sich mürrisch neben den Rauschgoldengel auf den Boden.
Der Herr Studienrat traf immerhin dreimal die Scheibe, allerdings nicht die Mitte, sondern den zweitinnersten Ring. Zwölf Punkte. Er wirkte sehr befriedigt. Katharina wurde den Verdacht nicht los, dass er gerade im Geiste die Pfeile in den Hintern eines besonders aufsässigen Schülers geschossen hatte.
Jean-Luc traf mit dem ersten Schuss genau die Mitte, um dann in seinem Überschwang die beiden restlichen Pfeile zu verschießen. »Fünf Punkte.«
Jetzt war die Reihe wieder an Katharina. Einatmen, Sehne spannen, ausatmen, Pfeilflug vorstellen und loslassen. Der erste Pfeil landete in zweitinnersten Ring. Etwas zu hoch. Beim nächsten Pfeil korrigierte sie nach und traf den innersten Ring. Sie spannte den Bogen für den dritten Pfeil, Loslassen, Handgelenksschnapper – und wieder in die Mitte. »Vierzehn Punkte.«
Es blieb nur noch Dirk-Marjan. Würde er sie schlagen können? Er ließ sich Zeit und zielte sorgfältig. Katharina fiel seine Fußstellung auf: Sehr stabil, er schoss sicher nicht zum ersten Mal mit einem Bogen. Sein Pfeil landete genau in der Mitte. Der zweite Pfeil ebenso. Und der dritte Pfeil? Dirk-Marjan zielte wieder lange. Und zack! In die Mitte der Scheibe. Fünfzehn Punkte.
»Mein Robin Hood«, freute sich Kristina und wollte ihn umarmen. Doch die Jack-ooo war schneller. »Für den Sieger!« Mit diesem Satz warf sie sich Dirk-Marjan an den Hals und küsste ihn.
Kristinas Blick wurde eisig. Sollte die Jack-ooo als Nächste auf seltsame Art sterben: Lange würden sie nicht nach einer Verdächtigen suchen müssen. Der völlig überrumpelte Dirk-Marjan schob die Küsserin mit so viel Kraft, wie es die Höflichkeit eben noch erlaubte, von sich. Doch die Raubkatze ließ ihre Beute nicht los: »Kennen wir uns nicht? Ich bin sicher, dich schon mal geküsst zu haben.«
»Ich … ich glaube nicht.« Dirk-Marjan war rot im Gesicht vor Scham; rasch suchte er hinter Kristina Zuflucht,
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