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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Betroffenen so richtig mitkriegt. Nehmen wir mal an, ein Vogel wird zu einem Krokodil, oder, um es nicht so reißerisch zu formulieren, es war einmal ein Flugsaurier, der die Lust am Fliegen verlor, warum, weiß ich nicht, denn Fliegen ist doch eigentlich ganz schön. Vielleicht, weil er nicht der größte Räuber am Himmel war und die Kollegen ihm die besten Brocken wegschnappten, vielleicht auch, weil er festen Boden unter den Krallen für sein inneres Gleichgewicht brauchte. Er war also nun des Öfteren auf dem Land und zu Fuß unterwegs, deshalb bildeten sich die Flügel zurück, und die Beine wurden lang und dick. Kein Fett wohlgemerkt, pures Muskelwerk. Damit lief er extrem schnell. Er war einen Meter lang, und sein Gebiss riss alles in Stücke, was es zu schnappen bekam. Er war kein Vegetarier. Sein Name damals: Protosuchus. Aber auch auf dem Land gab es zu viel Fresskonkurrenz, ganz zu schweigen von den Fressfeinden, darum ging er nach weiteren vierzig Millionen Jahren ins Wasser, wo er noch heute am besten ist. Die Beine wurden kürzer, aber nicht schwächer, der Schwanz entwickelte sich zu einem antriebsstarken Ruder, und er zog sich insgesamt ein bisschen in die Länge. Die Augen wanderten nach oben, damit er aus dem Wasser lugen kann, und die Nase rutschte nach vorn, so kriegt er Luft, während der Rest seines Körpers mehr oder weniger unsichtbar stundenlang und gern auch länger unter der Oberfläche lauert. Er attackiert im Wasser extrem schnell, auch auf dem Land macht er zwanzig Stundenkilometer aus dem Stand, aber am besten ist er im Grenzbereich der Elemente, weil er dort wie eine Rakete funktioniert, die von einem einzigen starken Schwanzschlag gepeitscht aus dem Wasser schießt, und das macht das Krokodil natürlich zur idealen Uferbestie. Dafür hat die Evolution noch mal hundertneunzig Millionen Jahre gebraucht.
    Und es ist noch immer kein Vegetarier.
    Das Krokodil schnappt sich alles, was nicht größer ist als es selbst. Die Marke liegt derzeit bei fünf Metern. Aber das ist ausbaubar. Es wächst bis an sein Lebensende und wird, so Gott und Collin wollen, hundert Jahre alt. Und noch etwas, seine Zähne wachsen so oft nach, wie es sein muss, und alle zwei Jahre sieht sein Gebiss wie neu aus. Niemand sollte also darauf bauen, ein zahnloses Krokodil vor sich zu haben. Es schnappt sich Zebras, Antilopen, Stachelschweine und Hyänen, sogar Löwen und junge Flusspferde, und natürlich schnappt es sich auch Fische und Fischer, es katapultiert sich auf ihre Boote und reißt sie runter, oder es kriegt sie am Ufer, wenn sie ihre Netze zusammenlegen, oder es holt sie aus ihren ufernahen Grashütten heraus. In Uganda, dem Königreich der Krokodile, fressen sie zwanzig Menschen pro Woche, der Champ des Landes, bekannt geworden als das «Killerkrokodil», hat allein dreiundachtzig Menschen verspeist, und sehen wir uns den Malawisee an, dann gibt es auf der anderen Seite ein Gebiet, Lower Shire genannt, da haben es die Krokodile auf einer Fläche von zwanzig mal zehn Kilometer immerhin auf neunzig Fischer pro Jahr gebracht. Sie sind natürlich auch selbst schuld. Stichwort: Überfischung. Warum fischen sie alles weg, bis nichts mehr außer ihnen da ist, was ein Krokodil fressen kann? Auf Madagaskar, wo Krokodile so heilig waren wie Kühe in Indien, glaubte man, dass Krokodile nur Menschen fressen, die vorher ein Krokodil getötet haben. Stand jemand unter Krokodil-Mordverdacht, musste er einen krokodilverseuchten Fluss durchschwimmen, und wurde er dabei zerfleischt, war das der Beweis, das Todesurteil und die Exekution des Armen zugleich.
    Zurück zur Wissenschaft. Wie funktioniert so was? Das Ding mit der Nase zum Beispiel, wieso wandert die? Durch Selektion? Keine Bestie ist haargenau wie die andere, einige tragen ihre Nase ein bisschen weiter vorn, deshalb können sie sich ein bisschen besser im Wasser verstecken, bekommen ein bisschen mehr Beute, überleben ein bisschen besser und geben das Bisschen an ihre Nachkommen genetisch weiter. Reicht das? Wandert allein durch Selektion eine Nase über hundertneunzig Millionen Jahre so weit, bis sie einfach nicht mehr weiterwandern kann, weil die Spitze der Schnauze erreicht ist? Ist die Evolution für das Krokodil etwas, das es wirklich nur passiv erlebt, oder hat es sich auch aktiv an diesem Prozess beteiligt, der es zu einem der gefährlichsten Raubtiere des Planeten werden ließ? Hat es sich immer und immer und immer wieder bemüht, möglichst tief im Wasser

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