African Queen
See gepumpt, und das Personal rekrutiert sich aus den benachbarten Dörfern. Die Lodge bildet Köche, Kellner, Zimmermädchen, Bootsleute, Barkeeper, Wächter, Gärtner, Handwerker aus. Achtzig Leute arbeiten hier, und weil jeder Afrikaner, der ein festes Einkommen hat, statistisch gesehen vierzehn Menschen miternährt, leben von dieser Lodge gut elfhundert Menschen, wie Collin zu Recht stolz erklärt. Finanziert wird das Ganze von Leuten, die bereit sind, in der Hochglanzversion afrikanischer Ursprünglichkeit dreihundert Dollar für Vollpension auszugeben. Die meisten bleiben nur drei Tage, und das ist sinnvoll, denn drei Tage funktioniert jedes Paradies.
«Noch Fragen?»
«Wie machen wir es mit mir, Collin? Wieviel zahle ich? Du weißt, ich bin ein armer Schriftsteller.»
«Gib mir ein bisschen Zeit, um drüber nachzudenken, okay? Und wohin wollt ihr eigentlich danach?»
«Wann danach?»
«Nach der Lodge.»
Collin stellt die Frage völlig arglos, vielleicht aus echtem Interesse, vielleicht aus Höflichkeit, aber weh tun will er mit ihr sicherlich niemand hier am Tisch, trotzdem zuckt Lisa zusammen, als habe sie mal kurz ein offenes Stromkabel gestreift.
Der Sonnenuntergang legt sich dann in den bekannten Farben wie ein Theatervorhang auf den Malawisee, und die Milchstraße übernimmt die Deckenbeleuchtung am Strand. Wir sitzen um ein ziemlich großes Feuer. Es ist für zehn oder zwölf oder mehr Herumsitzende gemacht, aber es sind derzeit keine Gäste in der Lodge, und das Feuer gehört uns allein. Auch hier greifen die Anti-Zuckmücken-Garanten Rauch und Wind, Kungo hat sich in den Busch verzogen. Und Lisa ist ganz in Schwarz gekommen, schwarze Strandhose, schwarze Bluse, schwarze Brille, schwarze Haare, lange schwarze Haare, offen getragen, scharf gezogene Lidstriche, und auf ihrem dezent roten Lippenstift glitzert das Sternenlicht ein bisschen, also das volle Ich-zeig-mal-wie-ich-aussehen-kann-Programm. Das wird ein Teil ihrer Arbeit sein. Sie muss jeden Abend mit den Gästen am Feuer Konversation betreiben, oder Guest-Hosting, wie Collin es nennt. Gut aussehen, gut reden, gute Miene zu jedem Scheiß machen. Und das kann Lisa, wenn sie motiviert ist, mit links.
Sie ist überaus motiviert heute Nacht. Collin lacht ehrlich über ihre Scherze, und sie lacht tief und gurrend über seine, und ich weiß, dass man das ein herzliches Lachen nennt, aber für mich ist es Anmache. Ich hasse diese Einschätzung der Lage sowie die Gefühle, in die sie mich bringt. Aber was soll ich machen? Die Eifersucht ist ein Teil der Leidenschaft, und die Leidenschaft ist die ungezogene Tochter der Liebe. Außerdem muss ich selber lachen. Collin antwortet gerade auf Lisas Frage, ob es hier am Strand wirklich ein großes Krokodil gebe. Mama hat es ihr erzählt. Collin sagt, ja, das stimmt, es lebt am Ende des Strands in dem Schilfbestand einer ausgetrockneten Bachmündung. Lisa kann es nicht ganz glauben und ich auch nicht. Stimmt das wirklich, Rose? Und Rose sagt, ja, das stimmt. Sie hat es bereits gesehen. Wie groß ist es? Sehr groß. So vier, fünf Meter. Und was bedeutet das für uns?! Gar nichts, sagt Collin. Erstens ist es ein Seekrokodil, die sind weniger aggressiv als die Krokodile in den Flüssen, und zweitens jagen sie nur bei Dunkelheit. Darum ist in der Lodge das Schwimmen nach Anbruch der Dämmerung zwar nicht untersagt, aber es wird doch dringend davon abgeraten. Warum tötet ihr es nicht? Weil in der Nachbarbucht ein Haufen kleinerer Krokodile lebt, die rüberkommen würden, wenn das große weg ist. Außerdem ist noch nie etwas passiert. Nur einmal hat sich ein Gast beim Schnorcheln mit dem Maul des Krokodils konfrontiert gesehen, etwa zwanzig Zentimeter von seiner Taucherbrille entfernt, aber der Gast war vor Sonnenaufgang im See. Und trotzdem ist nichts geschehen. Das Krokodil hat abgedreht.
«Nein, Lisa», sagt Collin, «es kann wirklich nichts passieren. Ganz sicher. Hundertprozentig. Ich schwör’s. Es ist absolut ausgeschlossen, dass du tagsüber beim Schwimmen gefressen wirst, völlig unmöglich, aber wenn es doch passieren sollte …» – und jetzt legt Collin seine Hand auf ihre Schulter und schaut sie treuherzig an –, «… dann, sorry, Lisa!»
4. DAS KROKODIL, MEINE FREUNDIN UND ICH
E volution ist faszinierend, ich würde sie gern verstehen. Dann wäre ich auch dem Verständnis von Gott ein bisschen näher. Irgendwas ist immer da, und das verändert sich dann so langsam, dass es keiner der
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