Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
Vom Netzwerk:
bietet man auch Trommelkurse, Führungen, Aids und Ehen an.
    «Ça va?»
    Der junge Mann ist für senegalesische Verhältnisse eher klein, aber in seinen Augen steht große Zuversicht, denn wenn ich jetzt nicht antworte, bin ich ein Rassist. Ich sage trotzdem nichts und gehe weiter, und nun habe ich einen Begleiter. «English …?» Ich schweige. «Italiano …?» Ich schweige. «Deutsch …?» Ich schweige eisern. Nachdem er alle gängigen europäischen Nationen durchhat, wird er witzig: «Japanese …?» Und damit hat er mich.
    «Ich bin nicht taub, ich ignoriere dich», sage ich.
    «Aber das ist unhöflich.»
    «Du bist unhöflich.»
    «Nein.»
    «Dann lass mich allein.»
    Entweder ist er ein Anfänger, faul oder doch ein guter Mensch (was ich nicht hoffe, denn dann hätte ich ihm unrecht getan). Jedenfalls lässt er von mir ab, und ich kann für eine volle Minute den Anblick der Bucht genießen. Der Strand von Ngor gehört zu den ganz wenigen Stränden Dakars, auf denen du nicht den Eindruck gewinnst, aus einer Müllhalde heraus aufs Meer zu blicken. Eine Postkartenschönheit, mit Palmen rechts und Fischerbooten links und einem ehemaligen Dorf ganz links, das von der Stadt zwar eingemeindet, aber noch nicht gefressen wurde. Dem Strand vorgelagert ist ein Inselchen. Das Meer ist blau, der Himmel auch, die Sonne schenkt ihr Gold den Kindern, die Fußball spielen, den Ringern, die trainieren, den Fischern, die ihren Fang nach Hause bringen, den Touristen, die das fotografieren, und den drei Pelikanen, die dazwischen spazieren gehen.
    «Ça va?»
    Ich habe ihn gesehen, bevor ich ihn gehört habe, und davor hatte ich ihn bereits gefühlt. Sein Wunsch, mir das Geld aus der Tasche zu ziehen, springt mich über etwa drei Meter Distanz wie ein Tier an. Körperlos, nur Energie. Ich denke, das ist die Vorstufe zur Telekinese. Fokussierte Gier berührt mich, und ich beschleunige meine Schritte, aber ich weiß, das nützt mir nichts, im Gegenteil, weil plötzliches Schnellergehen nicht nur wie Flucht aussieht, sondern auch Flucht ist, und Flucht stimuliert den Jagdtrieb.
    «Ça va?»
    Breites Lächeln, verfilzte Haare, gekleidet in den Farben eines Papageis. Von ihm könnte ich überteuertes Gras kaufen, aber nicht der Preis hält mich zurück, illegale Geschäfte zu tätigen, sondern das Wissen um die Chance, die ich meinem paranoiden Denken damit gäbe. Im Senegal kommst du für einen Joint ein Jahr in den Knast, es sei denn, du zahlst den korrupten Polizisten, die dich erwischen, zweitausend Euro. Wenn du gut handeln kannst, auch unter Stress, zahlst du vielleicht tausend. Nur darum geht es. Sie haben nichts gegen Drogen, sie haben auch nichts gegen dich, sie machen nur Geschäfte. Erst mit den Dealern, dann mit dir. Natürlich heißt das nicht, dass du von niemandem Gras kaufen sollst, den du nicht kennst. Das wäre ja schrecklich. Es heißt lediglich, dass der Dealer nicht wissen soll, wo du wohnst. Er würde es aber bald wissen, denn ich wohne in einem Hotel an seinem Strand. Und ich würde wissen, dass er es weiß. Und ich kenne mich. Ich säße auf meinem Balkon und sähe Filme in meinem Geist, und egal, wie sie en détail verliefen, alle hätten das Ende: «Busted. Verhaftet. Hängen sollst du unter Palmen.» Das ist der Nachteil von Marihuana. Man steigert sich rein. Also nein. Und um die Diskussion im Keim zu ersticken, rekrutiere ich dieses «Nein» aus meiner Mitte, hole es mit dem Atem nach oben und lasse es mehr wie eine Rakete als wie ein Wort raus: «No!!!» Er versteht es und akzeptiert es umgehend.
    Tourist gegen Senegal. Es steht 2 : 0 für mich. Aber erstens ist es noch nicht aller Tage Abend, und zweitens: Was für ein Sieg ist das eigentlich? Ich will spazieren gehen und keine Machtspiele gewinnen. Ich will die Bussarde kreisen sehen und keine fliegenden Händler, ich will die Wellen hören, keine Lügen, ich will atmen und nicht schimpfen. Ich will mit allen Sinnen den Sonnenuntergang genießen und nicht alle Sinne ausblenden. Gott ist mein Zeuge, ich will den Tag in den Abend fließen lassen, aber keine Persönlichkeitsveränderung durchmachen. Doch anders geht es hier leider nicht. Nur die Unfreundlichen werden in Ruhe gelassen.
    «Ça va?»
    «Verpiss dich!»
    Der Mann versteht kein Deutsch. Aber er scheint die Energie zu verstehen. «Du calme!», sagt er und noch einmal «Du calme!», und dann sehe ich ihn an und schäme mich. Ein ehrliches, intelligentes Gesicht mit Brille. Eine saubere Jeans, ein

Weitere Kostenlose Bücher