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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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stelle mich dem Offizier am Ausreise-Tisch. Er studiert sehr genau meinen Pass, mein Gesicht und meine Angaben auf dem Ausreiseformular und schüttelt verärgert den Kopf. Als Beruf hatte ich Schriftsteller geschrieben. Mir schien das in diesem Umfeld harmloser zu klingen als Journalist. Aber ich weiß nicht, was Schriftsteller auf Französisch heißt, also schrieb ich es auf Englisch. Versteht er nicht. Ich probiere es auf Deutsch, Spanisch, Portugiesisch und Italienisch und tippe dabei ununterbrochen mit dem Zehnfingersystem in die Luft. Nicht mit ihm. In Burkina Faso ist Französisch die Amtssprache. Ein anderer Passagier hilft mir. «Écrivain» ist das richtige Wort. Bekomme ich jetzt die Millionen, äh, den Ausreisestempel? Nein, er stempelt nur das Stück Papier, der echte Passbeamte wartet schon in einem schmalen, kurzen Gang.
    Inzwischen lächle ich niemanden mehr an, denn an dem Security-Check sehe ich neben den zwei Soldaten, die dort Dienst haben, wieder den Drachen vom Eingang. Was will die denn hier? Mich? Ich bete zu Gott, dass sich in meinem Handgepäck nicht irgendwo ein klitzekleiner Krümel Illegales versteckt. Ich übergebe die Tasche dem Laufband, sie wird geröntgt, sie ist sauber, ich kann weitergehen, um dann wieder in einem schmalen Gang in einer langen Schlange zu stehen, die irgendwo vorn links abbiegt. Es geht langsam voran. Ich schere aus und überhole die Schlange, nur um einen kurzen Blick auf das zu werfen, was hinter der nächsten Ecke los ist, und bin schockiert. Zehn Tische, hinter jedem ein Soldat oder eine Soldatin mit weißen Schutzhandschuhen. Auf den Tischen alles, was Passagiere so in ihrer Kleidung und ihren Reisetaschen haben. Ich gehe an meinen Platz in der Schlange zurück und beginne mit einer ernsthaften Voruntersuchung meiner sechs Hosentaschen, fünf Sakkotaschen, zwei Hemdtaschen sowie meines Handgepäcks. Ist das Staub oder Haschisch, ist das ein Tabakrest oder ein Rest Marihuana? An den Tischen des Grauens angekommen, macht ein Soldat dasselbe mit meinen Taschen wie ich zuvor, aber er macht es mit der Gier eines jungen Hundes. Ich sollte vielleicht noch mal erwähnen, dass auch alle Soldaten – ob an den Tischen, an den Wänden oder einfach mittendrin – ein ähnlich bescheuertes Gesicht machen wie die Soldaten vorher.
    Das bleibt so. Am Gate, am Rollfeld, vor dem Bus, der die Passagiere zum Flugzeug bringt. Nur finstere Gesichter, nur Maschinenpistolen, nur Kontrollen. Und als der Bus endlich losfährt, hält er auf halber Strecke an und bleibt etwa eine halbe Stunde lang stehen. Der Bus ist pickepacke voll, die Luft wird schlecht, und nur wenige sitzen, aber ich habe einen Fensterplatz und presse mein Gesicht an die Scheibe, um die Stimmung auf dem Rollfeld zu genießen. Die Lichter sind für einen Flughafen bescheiden, aber für einen Film genau richtig. Milchiges Gelb mit Schatten. Jeeps kurven hin und her, Soldaten schreien, Gepäckwagen werden kontrolliert. Wirklich, ich genieße das, aber ich freue mich auch auf Senegal. Dort soll es lustiger sein.

9. ÇA VA
    I ch dachte, ich gehe mal ein bisschen am Strand spazieren. Ich komme etwa zehn Schritte weit.
    «Ça va?»
    Das ist Französisch. «Ça» heißt «es», und «va» heißt «geht». Eigentlich ist das eher eine Feststellung als ein Gruß, aber wenn man beim zweiten Wort die Stimme anhebt, wird eine Frage draus. Dann heißt «Ça va» «Wie geht es», und die Antwort darauf ist wieder «Ça va», aber jetzt ohne den fragenden Ton, und nun stimmt die wörtliche Übersetzung. «Es geht.» Und sobald du «Ça va» sagst, bist du verloren. Wer auf a antwortet, muss es auch auf b tun (Woher kommst du?) und auf c (Wohin gehst du?) und auf d (Wie heißt du?) und auf e und f und g, und am Ende des Alphabets kaufst du eine Kette oder eine lackierte Holzfigur oder irgendetwas anderes, was du nicht brauchst und nicht willst, für das Zehnfache des Marktüblichen, aber das ist ein Freundschaftspreis, «mon ami». Vielleicht will man dir auch nichts verkaufen, vielleicht hat man es nur mit einem Senegalesen zu tun, der sein Englisch verbessern will oder sein Deutsch, auch das kommt vor, und sobald er es fließender spricht, wird das Leid aus ihm herausbrechen, der Hunger, die Krankheit, der weite Weg nach Haus ohne Geld für den Bus, und eine dritte Sorte dieser Strandplagen sammelt Spenden für ihre Marabouts. Das sind keine Vögel, das sind die heiligen Männer der islamischen Bruderschaften, und darüber hinaus

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