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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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über mich und machen Witze, ein paar der Jugendlichen, die uns begegnen, haben getrunken. Good boys, bad boys, das Problem in solchen Gassen sind immer nur die Betrunkenen. Ich bin deshalb froh, sie im Schutz der UNESCO zu betreten. Mein Hintermann scheint nicht so froh zu sein. Immer wenn ich mich umdrehe, sehe ich in Augen, die sich wünschen, den Job zu wechseln.
    Der Laden, in den wir gehen, ist voll mit Waren, die entweder ewig halten oder deren Verfallsdatum schon ewig abgelaufen ist. Ohnehin sieht man kaum etwas von ihnen. Staub konserviert die Schmelzkäse-Dreiecke, Maggiwürfel und das Tomatenmark, ebenfalls vom Staub beschützt präsentieren sich Beuteltee, Nescafé und warme Coca-Cola, und bei den Produkten der Keksindustrie wird dann nur noch Staub von Staub bedeckt. Außerdem gibt es Macheten, Rasierklingen, Zigaretten und Handykarten sowie ein paar Reissäcke in Zementsackformat. Hinter dem Tresen lungert halb liegend, halb sitzend ein Verkäufer, dessen Laune sich verschlechtert, sobald ein Kunde sein Geschäft betritt. Ousman legt seine Hand auf den Reis. «Eine Spende für die Kinder», sagt er. «Gern», antworte ich. Ich meine das ernst, nicht zynisch. Ich vertraue noch immer seinem ehrlichen Gesicht. Auch seine Führung, die hier zu enden scheint, war nicht so schlecht. Ich habe sie überlebt. Aber vielleicht gibt es auch kleinere Reissäcke. «Ja», sagt er, «die gibt’s. Aber nur von diesem werden alle Kinder des Dorfes einen Tag lang satt. Das ist ein Angebot. Glückliche Kinder bedeuten glückliche Mütter, glückliche Frauen bedeuten glückliche Männer. Glückliche Menschen machen auch Tiere glücklich, irgendwie, denn Glück ist wie ein Stein, der ins Wasser fällt und Wellen schlägt, und egal, wie klein die Wellen werden und wie schwer erkennbar für unser Auge, in Gottes Auge bleibt es bestehen.» Einem ganzen Dorf würde ich mit diesem Sack einen Tag des Glücks spendieren. Es ist die reisgewordene gute Tat schlechthin. Mir ist von Anfang an klar gewesen, dass Helfen kostet. Ich weiß nur nicht, wie viel. Also frage ich jetzt, was ich bereits zu Beginn des Spaziergangs mit der UNESCO hätte fragen sollen, weil man das in Afrika immer am Anfang fragt, nie am Ende:
    «How much?»
    «Hunderttausend westafrikanische Franc», antwortet Ousman.
    «Wie viel Euro sind das?»
    Ousman holt einen Taschenrechner heraus, tippt ein bisschen darauf herum und zeigt mir die Zahl. 157 steht da. Und nun habe ich den Salat. Jede japanische Touristin würde das anstandslos bezahlen. Für jedes echte Hilfswerk würde ich dasselbe tun. Und wer sagt denn, dass die UNESCO billig ist. Andererseits: Wenn der Mann mich verarscht, was ich langsam in Betracht zu ziehen beginne, würde ich ihm für die knapp einstündige Führung zwei Monatsgehälter eines senegalesischen Durchschnittsverdieners zahlen. Wenn er mich verarscht. Aber verarscht er mich? Warum so negativ, warum so kategorisch, warum Ausnahmen keine Chance geben, warum an der Kohle kleben, warum nicht auch mal auf Weiß setzen, statt immer nur auf Schwarz, ich meine nicht die Hautfarbe, die ist mir ganz egal, ich meine die Farbe der Seele, und ich bin erst seit wenigen Stunden im Senegal, ich kenne mich nicht aus, ich weiß nicht, ob Ousmans Seele blütenweiß oder rabenschwarz ist, beides scheint vorstellbar, und dann sind ja auch noch die Kinder da – aber hundertfünfzig Euro sind zu viel. Ich habe sie nicht einmal. «Wie viel hast du denn?», fragt Ousman. Ich greife in meine Tasche und hole zwanzigtausend westafrikanische Franc in kleinen Scheinen heraus, und sobald Ousman das Geld sieht, fällt ihm die UNESCO wie eine Maske vom Gesicht, seine Augen bekommen den Raubtierblick, und seine rechte Hand ist nun der Kopf einer Schlange, die blitzschnell vorstößt, in das Geld beißt, sich genauso schnell zurückzieht und wieder in Ousmans Hosentasche verschwindet. Als wäre diese Demütigung noch nicht genug, schüttelt jetzt auch noch der Verkäufer hinter Ousmans Rücken den Kopf und seinen rechten Zeigefinger, und nun bin ich vielleicht noch immer nicht der dämlichste Mensch in ganz Afrika, aber der größte Idiot in diesem Laden bin ich gewiss. Ça va.
    Zurück am Strand, fliegen mir die Grüße der Gauner wie die Schreie frecher Möwen zu oder wie ihr Lachen. Sie lachen mich aus, sie haben gewonnen, und ich bin stinksauer. Nicht auf die Afrikaner, nicht auf die Senegalesen, nicht auf die Strandhändler, nicht mal auf Ousman bin ich wirklich

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