African Queen
Café oder eine Bar oder ein Club, und dann kam schon wieder ein Restaurant oder ein Café oder eine Bar, und alle hatten ihre Tische draußen, und überall war Musik. An einem Sommerabend trug Lisa ihr rotes Kleid, und ich genoss die Mischung aus Bewunderung, Respekt und Neid in den Augen der anderen Männer. Wir saßen draußen, aber waren trotzdem ausreichend beschallt von den zwei türkischen Gitarristen drinnen, die Flamenco spielten. Nebenan spielten sie Blues. Es gab auch Läden, in denen sie türkische Volksmusik darboten, aber im Großen und Ganzen war es kosmomusikalisch, was sich dort zu einem fliegenden Klangteppich mischte. Ich hatte Apfeltabak für die Wasserpfeife gewählt. Er wirkte erfrischend. Und der Raki machte Mut. Man könnte es auch leichtsinnig nennen.
Der Traum, der mich in Wien wie ein Fluss erfasst hatte, schien in Istanbul seinen Ozean gefunden zu haben. Schnell, aber sicher löste sich der Traum in den Traum aller Träume auf. War das verdient? Oder Glück? Oder mein letzter Sommer, in dem mir das Schicksal die große Liebe in einer großartigen Stadt als Henkersmahlzeit reichte? Irgendwann begann die Gasse zu tanzen. An allen Tischen sprangen Menschen auf, erst die Frauen, dann die Männer, und die Frauen ließen ihre Hüften kreisen und ihre Arme schlängeln, während die Männer ihre Arme ausbreiteten, als wollten sie den Mond umarmen. Wir tranken, wir tanzten, wir aßen fettige Vorspeisen, wir küssten uns sogar auf offener Gasse, obwohl das in der Türkei nicht schicklich ist.
Erinnerungen können wie Opium sein, aber auch wie Messerstiche. Auch der nächste Dolchstoß an Don Brionis Theke kam aus der Türkei. Wir fuhren ein bisserl mit dem Schiff übers Meer. Das Sonnenlicht kam auf dem Wasser wie fließendes Gold daher. Solche Effekte beeindrucken mich immer sehr. Ich glaube, ich habe mindestens eine halbe Stunde nichts anderes getan, als mich in diesen Anblick zu verlieren. Und sie saß dabei nicht nur neben mir, sondern hatte ihren Arm um irgendeinen Körperteil von mir gelegt. Um mein Bein zum Beispiel, um meine Hüfte, um irgendetwas, das zu mir gehört. Auf der Insel, die wir dann betraten, nahmen wir das zweite Frühstück zu uns und redeten, während wir Auberginen, Joghurt, Tomaten und Oliven aßen, über dies und das. Ich weiß nicht mehr exakt, was die Themen dieser Unterhaltung waren, aber im Nachhinein erscheint das auch komplett egal. Ich glaube, den Vögeln ist es auch egal, was sie zwitschern und singen, wenn sie glücklich sind. Es ist eher ein Federballspiel mit Yin-Yang-Energien als ein Austausch von Informationen. Weil es auf der Insel keine Autos gibt, nahmen wir eine Kutsche. «Hoffentlich bekommst du kein Problem mit deinem Rücken», sagte sie, und das fand ich schön. Weil sie sich kümmerte. Auch wenn es nicht nötig war. Die Bänke in der Kutsche hatten weiche, rote Polster, man sank in sie wie in ein Bett. Und Lisa sank in meinen Arm, den ich nicht einmal um sie gelegt hatte. Er lag einfach nur ausgestreckt auf der Lehne, und sie sank hinein. So ging es unter den Schatten von Pinien und Palmen ein Stück bergauf, Oleander verströmte Naturparfüm, die großen, weißen Holzvillen rechts und links am Weg waren, egal, ob verfallen oder restauriert, wunderschön. Alle hatten großzügige Gärten, die wie verzaubert schienen. Und als wir wenig später in einem dieser Gärten Tee tranken, fragte ich sie, ob sie etwas dagegen hätte, wenn ich ihren Bauch als Kissen benutze. «Natürlich nicht», sagte sie, und so lag ich auf dem natürlichsten Kissen der Welt und sah durch die Blätter der Bäume in einen Himmel, an dem Schäfchenwolken trieben, und fragte mich, warum ich jemals allein gereist bin. Und, ganz ehrlich, heute Abend in Lilongwe weiß ich auch nicht mehr, warum ich mich gestern entschieden habe, wieder auf den Solotrip zu gehen. Die Türkei war das Versprechen, Afrika die Prüfung, und egal, wie viel Feuerwasser ich in mich hineinschütte, es bleibt die Furcht, sie nicht zu bestehen.
8. TROUBLES IN TRANSIT I
S elbstverständlich behält Lisa recht. Der Trip ist ein Wahnsinn. Ich fliege erst zwei Stunden nach Südafrika und hole in Pretoria mein Visum ab, dann geht es sechs Stunden mit «Ethiopian Airlines» stur nach Norden, um einen Zwischenstopp von einer Nacht in Addis Abeba zu machen, und am nächsten Tag sitze ich noch mal neun Stunden in einem Flieger, jetzt Richtung Westen, bis ich in einer Stadt lande, deren Namen ich mein Leben lang
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