African Queen
nicht aussprechen werde können: Ouagadougou. Siebzehn Stunden reine Flugzeit, plus zwei sauteure Übernachtungen im «Sheraton Pretoria» und eine im «Hilton Addis Ababa», sowie alles in allem sechs Stunden Fahrt in verschiedenen Taxis, bevor ich endlich irgendwo in der Walachei von Burkina Faso vor drei erschreckend kleinen Rohbauten ohne Dach, Fenster und Türen stehe, die noch nicht einmal als Grundstock der Oper, sondern als dazugehörige Werkstätten geplant waren. Von der Oper selbst ist noch kein Stein zu sehen, nur eine Reihe Container aus Deutschland glänzen einsam und verlassen in der Sonne Westafrikas. Ganz stimmt das nicht. Es gibt einen alten Mann, der die Baustelle mit seiner Steinschleuder bewacht, und drei Kinder, die Schafe hüten. Was hat sich Schlingensief dabei gedacht? Ich vermute, er wollte Afrika helfen, aber wie ich den Nachrufen entnehme, die mir von der Redaktion gemailt wurden, sah er schon bald ein, dass eines der ärmsten Länder der Welt vielleicht erst mal Krankenhäuser braucht und Straßen, damit man die Krankenhäuser erreichen kann. Es braucht auch Schulen und Elektrizität und eine geregelte Trinkwasserversorgung. Würden die Bewohner von Burkina Faso sich dringend Notwendiges wünschen können, ein Opernhaus stünde wohl nicht an erster Stelle. Das Projekt scheiterte schon zu Lebzeiten des Künstlers, aber nach seinem Tod war hier definitiv der Ofen aus. Wie so oft endete das ehrliche Verlangen, Afrika zu helfen, im Tatbestand rausgeworfener Spenden. Zwei Tage lang sehe ich mit an, wie die Schafe des deutschen Künstlers Traum abgrasen, dann hab ich meine Geschichte. Titel: «Määääääääääääh, määääääääääääh». Untertitel: «Die ewige Oper Afrikas».
Das war es. Feierabend. Theoretisch könnte ich nun sofort die siebzehn Stunden Rückreise nach Malawi antreten, aber ein Facebook-Freund meldet sich, den ich schon lange persönlich kennenlernen wollte. Er ist Lufthansa-Kapitän, und er schreibt, dass er in ein paar Tagen in Dakar runtergehen wird. Das ist praktisch um die Ecke von Ouagadougou. Und ich kann auch von Senegal zurück zur Lodge fliegen, also kein Problem, außerdem gibt mir das noch ein paar Tage Luft, um gefährlichen Gedanken nachzuhängen, denn auch damit behält Lisa recht. Es sind von Burkina Faso tatsächlich nur sieben Flugstunden bis Europa. An meinem letzten Abend in Malawi ahnte ich, dass die Liebe durch Prüfungen gehen muss, und hier kündigt sich eine an, denn ich weiß einfach nicht, was gerade stärker in mir ist. Lisa oder das Heimweh. Nein, das stimmt nicht. Ich weiß schon, dass die Gefühle zu ihr zwingender sind als die Sehnsucht nach Europa, trotzdem freue ich mich, durch das Treffen mit dem Lufthansa-Piloten ein paar Tage länger als geplant nur sieben Stunden entfernt von Paris, Brüssel, Amsterdam oder Mailand zu sein. Heimweh ist vielleicht auch das falsche Wort dafür, egal, es gibt viele falsche Wörter für das, was mir zu schaffen macht. Außerdem frage ich mich, warum ich für den Hüpfer nach Senegal vier Stunden vor dem Start am Flughafen von Ouagadougou sein muss.
Darum. Das Flughafengebäude sieht aus wie eine nicht fertiggestellte Fabrikhalle. Drähte und Kabel ragen aus dem unverputzten Beton. Vor dem Eingang stehen zwei Soldaten und wollen die Tickets sehen. Ein Mann und eine Frau. Der Soldat ist etwa einen Meter neunzig groß, muskelbepackt und schlecht drauf, aber so schlecht drauf wie die Soldatin kann er gar nicht sein. Sie ist kleiner als er, aber voluminöser, eine böse Mama Afrika in Uniform, die alle Reisenden zu hassen scheint und in jedem Weißen den Erzfeind sieht. Ich lächle sie an, aber ich hätte es besser lassen sollen.
«Ticket!»
«Electronic ticket», sage ich und zeige ihr den Computerausdruck meiner Buchung. Das macht sie noch böser.
«Ticket!!!»
«Internet-Ticket, Madam, no problem.»
Das Problem ist, dass sie das weiß, aber mich trotzdem lieber niederschießen würde. Sie schaut mich noch einmal wie den letzten Dreck auf Erden an, dann winkt sie mich durch. Puh. Ich bin drin. Ich folge einem schmalen, von Sperrholzwänden begrenzten Gang, biege mit ihm nach rechts ab und bin in einer Abflughalle, die so groß wie ein Hühnerstall ist. Ein Check-in-Schalter und ein Tisch, an dem ein Offizier sitzt. Der macht auch ein böses Gesicht. Alle Soldaten, die ich im Flughafen von Ouagadougou sehe, haben das böse Gesicht, es gehört zu ihrer Uniform. Ich hole mir die Bordkarte und
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