African Queen
brennt vor dem «Black President», Trommler sitzen in seinem Schein, und flackernde Lichter tanzen auf bärtigen, teils vernarbten, schwarzen Gesichtern. Sie trommeln laut und schnell und singen mit rauen Stimmen Lieder, die zu Ekstase oder Trance führen. Bei ihnen sind, wie bei jeder am Strand musizierenden Trommlergruppe, ein paar weiße Mädchen, die sich ihre Haare zu Zöpfchen haben flechten lassen. Man kennt das von den Rastafaris, aber im Senegal ist es die Frisur der Baye Fall. Sie mischen den Islam mit Schamanismus, den Glauben mit Aberglauben, das Gebet mit Zauberei. Mit der Sekte, deren größter Prophet Bob Marley war, teilen die Baye Fall die Vorliebe für Marihuana und geflochtenes Haar. Das steht Senegalesen gut, weil sie schwarz sind, aber Touristinnen sehen krank damit aus. Die Zöpfe sind so eng und stramm geflochten, dass ihre Kopfhaut durchschimmert und es aussieht, als hätten sie eine chemotherapiebedingte halbe Glatze, und trommeln sollten sie auch nicht, jedenfalls nicht mit so einem Gesicht, so ernst, so missionarisch, so ganz und gar auf die Befreiung Afrikas und ihrer Sexualität fokussiert. Wir haben Glück, an unserem Feuer sitzt nur eine weiße Frau, die andere ist schwarz, und sie trägt eine Brille, und sie trommelt auch nicht mit, sondern klatscht nur in die Hände, allerdings im richtigen Rhythmus und energetisch mit den Männern verbunden.
Warum können Afrikaner so gut trommeln? Was haben sie im Blut? Buschtrommeln? Savannentrommeln? Wüstentrommeln? Hitze, Weite, Glut? Das haben auch andere Regionen. Aber indische Trommeln lassen den Bauch tanzen, südamerikanische die Hüften, südostasiatische Fäuste und Füße, und die Trommeln der orientalischen Derwische funktionieren im Wesentlichen wie eine Herzrhythmusmaschine. Nur in Afrika gehen die Trommeln sofort in den Unterleib. Dieser Satz gefällt mir so gut, dass ich ihn stehenlassen möchte, obwohl er nicht stimmt. Die Rhythmen des schwarzen Kontinents schlagen noch eine Etage tiefer. Ich weiß nicht, ob die Afrikaner einen Namen für diese Etage haben, ich kenne nicht mal unser Wort dafür, ich weiß nur, dass die Hindus es Wurzelchakra nennen und nahe dem Anus lokalisieren. Dort, sagen sie, wurzelt jede Lust und jede Angst, dort wohnt die Mutter von Sex und Tod. Das eine lockt, das andere schockt, unterm Strich kommt Erregung dabei heraus. Die Trommeln der Baye Fall sind tiefes Afrika, aber ihre Lieder tiefgläubiger Islam, sie trommeln aus dem Wurzelchakra und singen aus dem Herzen, sie koppeln die Erregung mit der Liebe, und textlich lassen sie die Suren des Koran zu magischen Endlosschleifen werden. Das ist immer die Mischung bei den Baye Fall. Sie beten, und sie zaubern zugleich. Natürlich gibt es auch unter ihnen Penner und Propheten, aber den Unterschied herauszufinden, ist für Afrikaanfänger nicht leicht. Dazu werden Kaltgetränke gereicht.
Ich lade Kamphel zu einem Glas Rotwein ein, unser viertes an diesem Abend. Plötzlich tritt eine dunkle Gestalt aus der Dunkelheit zu uns in den Schein des Feuers, ein großer Mann, der ein wenig gebückt geht, so wie es Leute tun, die ein schlechtes Gewissen haben oder zumindest wissen, dass sie eins haben müssten. Das ist natürlich nur eine Spekulation, denn man schaut in die Leute nicht rein. Es kann auch sein, dass ihn die Last des Lebens drückt, die Last eines afrikanischen Lebens, oder, dritte Variante, es sind unterdrückte Aggressionen, die seinen Körper krümmen, und zu allen diesen drei Möglichkeiten hat er den passenden Blick. Täter, Opfer, Rächer. Volle Lippen, so voll, dass die Unterlippe sich wie eine Traube wölbt, in einem wilden, schönen, alten Gesicht, und in diesen intensiven, fast dämonischen Blick mischen sich auch noch Unterwürfigkeit, Wut, Verschlagenheit und Berufung, also Talent. Sein Name ist Schuba, und ich bin gewarnt. «Er ist ein böser schwarzer Mann», sagt Kamphel, «aber er ist ein sehr guter Karikaturist.»
Das ist Schubas Zorn. Er ist für die große Leinwand geboren, aber immer, wenn es darauf ankommt, retten ihn die Karikaturen. Er hat in Paris Kunst studiert und das Studium mit seinen Karikaturen finanziert, er hatte Ausstellungen in Stockholm und überlebte dort als Zeitungs-Karikaturist, und seit er wieder im Senegal ist und Familie hat, macht er nur noch diesen Mist. So sieht es Schuba. Karikaturen sind Kleinkunst und im Himmel nichts wert. Ich kenne das aus meinem Beruf. Auch ich habe immer die Literatur über den
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