African Queen
Journalismus gestellt, die Fiktion über die Fakten, den Roman über die Reportage, ich weiß, was Schuba quält. Außerdem quält ihn die Rückkehr nach Afrika. Es gibt drei Sorten von Afrikanern. Die erste träumt von Europa, die zweite ist in Europa, und die dritte war in Europa, aber hat es nicht geschafft, in Europa zu bleiben. Der Traum ist aus. Und Schuba geht jetzt jeden Tag aus dem Haus, um am Strand Touristen zu karikieren. Für zwanzigtausend CFA-Franc, aber er macht es auch für zehntausend, plus das Glas Wein, das ich ihm freiwillig als Vorschuss gebe. Künstler brauchen Drogen, sonst wird die Arbeit nichts.
Im Folgenden sehe ich zwar nicht, was er zeichnet, aber wie er es tut, ist entweder eine gute Show oder ein Grund, sich zu fürchten. Schuba sitzt gebückt auf einem Stuhl und durchbohrt mich mit Laserblicken. Seine Augen treten dabei ein wenig aus den Höhlen, wie Objektive, die man ausfahren kann, dazu zeichnet er mit schnellen, gewalttätigen Strichen. Das Ergebnis ist nicht schmeichelhaft für mich, aber von hypnotischer Kraft. Ich meine nicht die überlange Nase, das Doppelkinn und die schiefen Zähne, auch nicht die Warze auf meinem linken Lid, mich schockieren die Fenster zu meiner Seele, weil in diesen Fenstern keine Seele ist. Aber was hatte ich von einer Karikatur erwartet? Sie überzeichnet immer das Hässliche und übersieht das Schöne oder blendet das Schöne aus oder akzeptiert das Schöne einfach nicht, weil das Schöne nur der Zuckerguss ist, der ein knallhartes Ego bedeckt. Ich sehe keine Liebe in meinen Augen, nur Gier, und ich sehe auch keinen Geist in ihnen, sondern eine Intelligenz, die sich zum Werkzeug der Gier gemacht hat und alles abrastert, was die Welt bietet, damit ICH es aufsaugen kann. Ich sehe ein Arschloch in meinen Augen, und ich sehe die Folgen. Meine Pupillen schwimmen in einer trüben Suppe, in der sich Rotwein, Haschisch und Testosteron mischen, die rauschhafte Geilheit und die Geilheit auf Rausch, die mein Leben bestimmten, und unter diesen Augen sind dann auch keine Tränen-, sondern Abfallsäcke für den Dreck meiner Seele. Nein, das Bild passt nicht, es sind Schmutzwasserkanäle. Trotzdem kann ich Schuba dafür nicht böse sein, meine subjektive Empfindung wird von der Begeisterung für die Qualität der Karikatur weggeschwemmt. Das ist keine Strandmassenware, das ist große Klasse, möglicherweise sogar Weltklasse, außerdem:
Bin ich das?
Nein, das bin ich nicht. Das ist mein Feind. Mein böses Gesicht, das ich bekämpfe, seitdem ich in den Spiegel sehen kann. Durch Schubas Hand wurde es auf Papier gebannt und liegt nun eingerollt vor mir auf dem Tisch. So richtet es keinen Schaden an. Und noch eine gute Nachricht: Mein gutes Ich ist weiterhin in mir und hat weiterhin die Spendierhosen an. Schuba bekommt ein zweites Glas Wein, auch dem dritten Maler, der sich an mich heranmacht, gebe ich einen aus, und ich würde sagen, das ist weder freizügig noch dämlich, sondern einfach nur schwach. Ich bin zu schwach für die Show, mit der Senegalesen um Alkohol betteln. Sie setzen sich in deine Nähe und schauen abwechselnd auf dein Glas und auf den Boden. Das ist hundsgemein traurig. Du weißt genau, wie es dir jetzt an ihrer Stelle gehen würde. Du spürst den Durst in ihren Kehlen, das Fieber auf ihren Zungen, du teilst ihre Lust, sich zu betrinken, du fühlst die Notwendigkeit, dies zu tun. Ein bisschen Wein, ein bisschen Frieden, ein bisschen lustig sein an einem Abend wie diesem. Sie schauen auf dein Glas, sie schauen auf den Boden, sie schauen mit dem Blick eines angeschossenen Rehs auch mal direkt in deine Augen, und jetzt sag mal nein. Und nimm dazu einen schönen Schluck von deinem Wein. Allein. Und genieß es.
Ich kann es nicht. Noch nicht. Noch will ich helfen, wo es nur geht, und sitze deshalb mit drei betrunkenen senegalesischen Malern auf den Stühlen, die das «Black President» für seine Gäste in den Sand gestellt hat. Bei uns sind ein paar nette Italiener und ein paar arrogante Franzosen, und für die Dauer der Musikdarbietung gehört dieses bestuhlte Stück Strand ganz klar in den Protektionsbereich der Bar. Wir stehen unter dem Schutz des «Black President» und brauchen uns nicht selbst der Strandplagen zu erwehren. Jedes zu aufdringliche Begehren wird von dem jüngeren der beiden Barkeeper zurück in die Nacht gewiesen. Der Mann ist klein, aber kompakt, und der Strand respektiert ihn, denn bisher reichte ein Blick von ihm, und wenn der
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