African Queen
afrikanischer Länder kennenzulernen, weil die Prostitution hier anders funktioniert als bei uns. In Europa ist sie ein Job für Profis, die im Stundentakt kassieren und jeden privaten Kontakt darüber hinaus strikt ablehnen, aus Gründen, die unter anderem in ihrem Berufsethos zu finden sind. In Afrika verhält sich das andersherum. Es gibt wenig Profis, viele Semiprofis und eine aberwitzige Menge von Menschen, die sich nicht als Huren, sondern als Wirtschaftsflüchtlinge verstehen. Die suchen Asyl in den Armen der Sextouristen, die wollen Besuchervisa, Aufenthaltsgenehmigungen, Heiratsurkunden, Kinder, die machen auf Liebe, die nehmen ihren Touristen mit nach Hause, zu ihrer Familie, zu ihren Freunden, in ihre Welt. Sie reisen mit ihm, sie führen ihn, sie übersetzen ihm, sie verraten ihm die Preise, sie schließen ihm alle Türen zum wahren Senegal auf. Die Testosteronproduktion hört unterwegs nicht auf, für das weibliche Sexhormon, und das sage ich nur der Ordnung halber, stimmt das auch. Weltweit sind zwar achtzig Prozent aller Sextouristen männlich, aber die Frauen holen auf. Ist das böse, ist das gut, ist das doof? Der weibliche Sextourismus ist ein Abfallprodukt oder ein Kollateralschaden der Emanzipation. Was Männer können, das können wir auch, was Männer sich erlauben, das steht uns ebenfalls zu, so blöd wie Männer sind wir schon lange. Sextouristen verleugnen wie die Huren ihre Kernidentität. Sie sehen sich nicht als Freier, sondern als Freunde. Und verlieben sich. All diesen Quatsch machen Frauen den Männern nach, und im Senegal, das neben Marokko und Kuba als eine der drei Hochburgen für Sextouristinnen gilt, ist das verständlich. Nicht alle, aber viele senegalesische Männer sind so groß wie die Massai, und nicht alle haben Gesichter wie die alten Ägypter, aber es sind genug, um der These des größten Historikers des Landes und Namenspatrons der Universität von Dakar, Cheikh Anta Diop, zuzustimmen: Die Ur-Senegalesen kommen vom Nil. Schöne Körper, schöne Gesichter und schöne Hautfarbe, denn black is beautiful, und das stimmt natürlich auch für ihre Schwestern. Wahnsinnig viele Amazonen mit dem Gesicht einer schwarzen Kleopatra würden sich sofort in mich verlieben, falls ich das wünsche, aber ich wünsche es mir nicht. Halsstarrig, konservativ und stur wie ein Westfale oder stur wie ein Afghane oder stur wie ein Österreicher aus der Steiermark beharre ich darauf, dass es auch andere Wege geben muss als der hier gängige, um Sprache, Kultur und Strukturen Senegals zu ergründen. Denn a) bin ich kein Sextourist, b) habe ich schon eine Freundin, und c) ist Dede nicht mein Typ.
Komischer Name übrigens, jedenfalls kein senegalesischer, wahrscheinlich ein Spitzname, und ihren wahren Namen weiß ich nicht. Ich bin sicher, sie hätte ihn mir verraten, und ich bin sicher, ich hätte irgendwann danach gefragt, wenn nicht alles so merkwürdig verlaufen wäre. Mit ihr und mit dem Typ, der ständig bei ihr ist. Ein kleiner, verschlagener Unsympath, der die große, offene und äußerst sympathische Dede zu lenken scheint und für sie übersetzt, obwohl sie selbst ein bisschen Englisch spricht. Für senegalesische Verhältnisse ist Dede hübsch, nicht schön, was kein Makel für jemand sein muss, der sexy ist, aber auch das ist sie nicht, dafür ist sie zu sportlich. Es geht mir, als ich sie am Feuer anspreche, um etwas, für das ich schwer Worte finde und das man, weil es anderen auch so geht, das gewisse Etwas nennt. Schon wieder so ein Satz, auf den ich unmöglich verzichten kann, obwohl er nicht stimmt. Dem gewissen Etwas hängt ein Duft von Erotik an, aber Dedes Ausstrahlung ist duftneutral. Oder, um es anders zu sagen, ihre Seele hat keine Reizwäsche an.
Dede ist Fußballspielerin. Ihre Mannschaft hat im vergangenen Jahr die senegalesische Meisterschaft gewonnen. Sobald ich davon höre, habe ich ein paar Fragen. In welcher Liga? Profi-, Amateur- oder Strandliga? Sie sagt Profiliga. Was bedeutet es im Senegal, Profisportlerin zu sein? Wie viel verdient sie? Wie lebt sie? Ich kann es dir zeigen, sagt Dede, ich wohne gleich hier nebenan, in dem Fischerdorf. Ja, antworte ich, gute Idee, vielleicht morgen, aber du kannst mir doch jetzt schon sagen, wie es war, als du im Meisterschaftsspiel der senegalesischen Frauenfußball-Profiliga das entscheidende Tor geschossen hast? Wie fühlte sich das an? Wie hast du das gemacht? Dede sagt, sie habe das Tor auf Video, und ich könne es mir ja
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