African Queen
und ansonsten so tun, als sei die eigene Anwesenheit ganz normal – das ist der einzige Weg. Nach zwei Jahren laufen die Paviane nicht mehr davon und greifen nicht mehr an, es sei denn, der Wissenschaftler macht was Blödes, aber blöde Wissenschaftler gibt es ja nicht, also ignorieren die Affen sie. Auf diese Weise wurde beobachtet, dass Guineapaviane ein anderes Paarungsverhalten haben als Mantelpaviane. Ein Mantelpavian-Männchen akzeptiert nicht, wenn ein anderes Männchen sein Mädel befruchtet, ein Guineapavian hat kein Problem damit. «Guineapaviane sind demnach polygam», sage ich. «Obacht», sagt Juan und hebt den Zeigefinger. «So einfach machen wir es uns nicht. Das polygame Verhalten unter Guineapavianen konnten wir bisher nur bei Tieren feststellen, die sich in ihren Schlafbäumen paarten. Die sind sehr hoch, und es besteht eine konkrete Absturz- und Lebensgefahr. Vielleicht reagierten sie nur deshalb tolerant auf Nebenbuhler, weil die Situation zu gefährlich für Aggressionen war.»
«Siehst du, Ruth», sage ich, «das meine ich. Noch wissen wir nicht, ob Guineapaviane grundsätzlich nicht eifersüchtig sind oder nur, wenn es nicht anders geht. Aber wir werden es bald wissen, denn Juan fährt bald wieder zu ihnen. Und er wird wiederkommen, um zu berichten. Aber solange wir ihn bei uns haben, würde ich Juan gern noch fragen, ob es wirklich stimmt, dass Guineapavian-Männchen sich zur Begrüßung gegenseitig an die Genitalien greifen?»
«Ja», sagt der Primatenforscher, «das stimmt. Aber das machen nur Männchen, die miteinander befreundet sind. Es ist ein Vertrauensbeweis, angesichts der massiven Schäden, die ein Konkurrent bei diesem Gruß anrichten könnte. Nur Freunde lässt man an die Eier. Und sie greifen sich nicht nur zur Begrüßung an die Genitalien, sondern auch vor gemeinsamen Unternehmungen.»
Ach, das wäre ein schöner Titel für Juans Dissertation: «Schwule Primaten», aber ich wette, er wird’s nicht wagen, darum wende ich mich der langbeinigen blonden Düsseldorferin zu, die neben mir sitzt. Auch sie ist jung, auch sie ist wissenschaftlich unterwegs. Sie untersucht die Folgen der Elektrifizierung. Man schenkt einem Dorf Sonnenkollektoren und schaut ein Jahr später, was es mit dem Strom macht und wie das Licht das Leben dort verändert hat. Werden Kinder besser in der Schule, weil sie jetzt nach Anbruch der Dunkelheit lesen können, oder werden sie schlechter, weil es nun auch Fernseher in den Hütten gibt, oder bleiben ihre Leistungen in etwa gleich? Das sind die Fragen der Düsseldorferin, und die Fragen der belgischen Mittsechzigerin, die mit ihrem fünfunddreißig Jahre jüngeren senegalesischen Ehemann am Tisch rechts außen sitzt, könnten alle hier im Raum sofort beantworten, obwohl die Frau sie nicht mal ausgesprochen hat. Liebt er mich? Nein. Will er mein Geld? Ja. Will er alles? Natürlich. Solche Ehen können gefährlich sein. Ruth hat es mir erzählt. Sie hat ein paar Jahre in der Schweizer Botschaft gearbeitet und kennt genügend Fälle von Giftmord. In winzigen Dosen jeden Tag dem Essen zugegeben, lässt das Gift den angeheirateten Europäer schön langsam erkranken, dahinsiechen, sterben. Sie heiraten, um zu erben.
In der Nacht stehe ich allein auf der Dachterrasse und schaue auf das Meer und in den Himmel gleichzeitig, was hier wunderbar geht. Der Mond ist still, die Wellen reden, die Menschen schlafen in ihren Rohbauten, ein Taxi humpelt über die Strandstraße. Quo vadis, Schrott? Man gewöhnt sich dran, dass hier alles kaputt ist und trotzdem irgendwie funktioniert. Die Taxis, die Straßen, die nackten Häuser, die Hütten aus Sperrholz, Wellblech und Stofffetzen, die großen, schwarzen Vögel, die streunenden Hunde, all das mischt sich zu einem Weltbild, das man aus Filmen wie «Mad Max» kennt, Erinnerungen an die Zukunft werden wach. Sieht nach dem Untergang der Zivilisation das Leben überall wie hier aus? Die Düsseldorferin erforscht die Auswirkungen der Elektrifizierung, warum erforscht sie nicht das Gegenteil? Dakar wird seit Jahren deelektrifiziert. Dauernd fällt der Strom aus, mindestens zwölf Stunden pro Tag, gestern waren es achtzehn Stunden, in denen hier alles stillstand. In der kleinen Wäscherei neben dem «Keur Diame» warten sie den ganzen Tag und, wenn es sein muss, den ganzen Abend auf die paar Stunden, in denen gearbeitet werden kann. Und wenn der Strom erst nach Mitternacht angeht, dann waschen sie halt nachts. Was macht das mit
Weitere Kostenlose Bücher