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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Menschen, wenn ihnen die Infrastruktur genommen wird? Und was macht das mit Piloten? Von Ruths Dachterrasse kann man normalerweise die Lichter des Internationalen Flughafens sehen. Heute Nacht nicht. Sie stellen selbst dem Flughafen den Strom ab, solange keine Maschine startet oder im Anflug ist. Hat Diego recht damit, dass uns keine Schuld daran trifft? Ruth ist derselben Meinung wie der Lufthansa-Kapitän. Das ist kein Schicksal, das ist Korruption. Der Staat ist pleite, aber der Finanzminister hat das teuerste Haus in Dakar. Wer denn sonst? Es gibt ja noch die Gestirne. Unter ihrem Licht sieht der urbane Schrotthaufen fast romantisch aus.

    «Friede sei mit dir», sagt der Marabout am nächsten Morgen.
    «Und mit dir sei der Friede», antworte ich.
    Die Vögel zwitschern wieder wie bekloppt. Ruth hat jede Menge Grün in ihrem Haus, das zieht sie an. Kleine freche, bunte Dinger und etwas größere, eher einfarbige Tauben. Die Kleinen schwatzen, die Großen gurren, hin und wieder singt der Muezzin, die Mädchen putzen allerliebst, und ich habe prima geschlafen. Wir sitzen in Ruths Privatgemach auf bequemen Sesseln, und der Marabout hat seine Dienstkleidung an. Weiße Seide wallt bis zu den Füßen an ihm herab, es fehlt nur noch der juwelenbesetzte Krummdolch, dann sähe er endgültig aus wie Omar Sharif als Tuareg-Scheich, aber er ist ein Marabout, er hat andere Waffen. Sein Gesicht dazu: freundlich, aber nicht Liebe heischend, ernst, aber nicht ärgerlich, seriös, aber nicht steif. Der Mann ist ein Profi, ich kann offen zu ihm sein. Ich gestehe ihm meine prinzipielle Ungläubigkeit in Sachen Animismus, Voodoo und Geisterreligion, womit er kein Problem hat, er nickt einfach nur. Dann erzähle ich ihm, was am Strand von Ngor geschehen ist, von Dede und dem Feuerzeughalter, von den Geistern und den Träumen, von der Liebe und der Angst, die man sich um- und abhängen kann. Als ich fertig bin, ist für den Marabout alles klar. Er müsse zwar noch mit seinen Leuten darüber sprechen, aber er persönlich sei sich jetzt schon sicher, dass ich verflucht worden sei. Kein starker Zauber allerdings, sonst wäre er mir nicht aufgefallen. Trotzdem, auch er sagt, es sei ein Fehler gewesen, den Feuerzeughalter nicht zu verbrennen, aber so schlimm sei dieser Fehler auch wieder nicht, denn die Dschinnen wären ohnehin nicht mehr in dem ledernen Amulett, sondern längst in mir. Ob ich wisse, was Dschinnen sind? «Ja», sage ich, «Dämonen.» Und der Marabout sagt: «Richtig.»
    Ich bekomme es fast nicht mit, dass ich schon wieder die Grenze überschreite. Eine Grenze ohne Passkontrolle, aber mit Zoll. Sie suchen nach Schmuggelware, und als das Illegalste hier zählt dein Verstand. Es ist wirklich bemerkenswert, der Aberglaube scheint noch stärker als der Glaube zu sein. Ich falle immer wieder darauf rein. Ich besuche Hexen, um eine lustige Geschichte zu recherchieren, aber wenn ich vor ihnen sitze, höre ich gebannt ihren Wahrsagungen über meine Zukunft zu. Und krieg’s nicht mehr aus dem Kopf. Wenn ich Horoskope lese, wird es noch peinlicher. Ich habe selbst Horoskope geschrieben, ich weiß, wie die entstehen. Das ist Meditation, Freestyle-Prophezeiung, Belletristik. Trotzdem lese ich sie und warte auf den Zwilling, der mir heute ein sexaktives Lächeln schenkt. Oder auf den Schützen, der meine Karriere beflügeln wird, und traue niemals einem Skorpion. Und zünde dir auch keine Zigarette an einer Kerze an, denn dann stirbt ein Seemann. Das Gesetzbuch des Aberglaubens ist so dick wie das bürgerliche, und nicht alle Paragraphen sind so leicht zu durchschauen wie das Kerzen-Zigaretten-Verbot. Es stammt aus einer Zeit, in der die schwedische Seefahrt nicht florierte und die arbeitslosen Matrosen sich und ihre Familien durch Jobs in den Zündholzfabriken ernährten. Jede an einer Kerze angezündete Zigarette schadete ihnen ein bisschen. Ich weiß das, so wie ich weiß, dass Dschinnen und Peris die orientalischen Entsprechungen unserer Dämonen und Elfen sind. Märchengeister. Kindergeschichten, Altweiberschmonzetten, die Gebrüder Grimm auf Afrikanisch, trotzdem rede ich mit dem Marabout inzwischen über Liebeszauber und Gegenzauber so ernsthaft, wie ich mit einem Polizeisprecher über den längst verlorenen Kampf gegen die organisierte Kriminalität reden würde oder mit einem Chirurgen über eine bevorstehende Operation an meinem Handgelenk. Vielleicht liegt es daran, dass ich Profis immer akzeptiere, egal auf welchem Gebiet,

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