African Queen
vielleicht liegt es an Ruth, die ihn übersetzt und auch keine Zweifel hegt, vielleicht liegt es an der Umgebung, weil jeder im Senegal einen Marabout hat und alle sich vor Flüchen fürchten. Angst steckt an, wie ein Fieber, das überspringt. Reisewarnung: Im Senegal grassiert eine Voodoo-Epidemie, und ich bin infiziert, ich glaube schon wieder daran, was man mir sagt: dass ich die Geister sehen konnte, weil ich sensibel bin. Nicht alle könnten das. Und dass die Angst berechtigt gewesen sei, die ich im Taxi fühlte, als ich von Diego kam. Und auch die Behauptung, dass die stärksten Zauberer nicht im Senegal, sondern in Mali und Mauretanien praktizieren würden, akzeptiere ich ohne Probleme, denn damit beginnen die guten Nachrichten des Marabout. Er könne mir helfen. Er habe den Gegenzauber. Er neutralisiere den Fluch. Dafür müsse er aber erst noch mal mit seinen Leuten sprechen. Und noch etwas: Er heile mich, aber zeige Dede nicht als Zauberin an.
«Was? Geht das?»
«Ja», sagt Ruth.
«Die schwarze Magie gilt im Senegal als echtes Delikt. Wenn du sie nachweisen kannst, geht die Zauberin in den Knast.»
«Nein, auf keinen Fall. Ich mag Dede ja immer noch. Außerdem glaube ich, dass der Unsympath hinter allem steckt. Aber auch den zeige ich nicht an.»
«Kein Problem.»
Und Zigarettenpause. Der Marabout zieht sich in einen anderen Raum zurück, um mit seinen Leuten zu telefonieren.
«Was sind das für Leute, Ruth?»
«Er arbeitet nicht allein.»
«Und wie telefoniert er? So wie wir? Oder spricht er mit einem Fetisch?»
Sie lächelt, sie darf es mir nicht sagen. Sie will sich zwar von ihm trennen, aber nicht von dem Wort, das sie ihm gegeben hat, als er ihr Geheimnisse erklärte, die er eigentlich nur an seine Schüler weitergeben darf. «Es wird nicht lange dauern», sagt sie. «Er war sich ziemlich sicher.»
Die Vögel toben, die Sonne brüllt, Ruths kleiner weißer Hund wedelt zur Tür herein, Kaffeeduft liegt in der Luft, alles ist fein, und Ruth behält recht. Der Marabout ist schnell zurück. Er nimmt Platz, streicht sein Gewand glatt und sagt: «Alles klar. Es ist ein Liebeszauber, das wusste ich vorher schon, aber er ist stärker, als ich dachte. Er kommt aus der Casamance. Wir müssen ein Kamel schlachten.»
«Ein Kamel?!»
«Ja, wir brauchen ein Blutopfer.»
«Aber geht’s nicht auch etwas kleiner? Mit einem Huhn vielleicht?»
«Nein, nicht bei Flüchen aus der Casamance.»
Ruth schaut inzwischen etwas besorgt drein und bittet mich eindringlich darum, jetzt endlich zu fragen, was er für die Zeremonie haben will.
«Wie viel?», frage ich.
«Zweitausend», antwortet der Marabout.
«Westafrikanische Franc?»
«Nein, Euro!»
Für Ruths Noch-Ehemann verläuft es nun nicht mehr wie geplant. Ich verliere auf der Stelle meinen Glauben an Voodoo. Was für ein mächtiger Zauberer er ist. Allein durch die Nennung dieser Summe hat er mich blitzschnell und restlos vom Fluch befreit. Hätte er zweihundert Euro gesagt, wäre ich wahrscheinlich abergläubisch geblieben. Und hätte mit ihm gehandelt. Aber er dachte sich, ab zweitausend Euro handelt es sich besser. Ein britischer Diplomat, der sein halbes Leben in Afrika verbrachte, schrieb nach seiner Pensionierung ein Buch, in dem er zugab, dass die Afrikaner ihn ein halbes Leben lang schwer genervt hatten. Was ihn am meisten aufregte: «Immer wenn sie sich gerade selbst ins Knie geschossen haben, glauben sie, besonders clever gewesen zu sein.» Ja, das war ein Knieschuss, Herr Marabout, und er macht auch das passende Gesicht dazu. Er ist stinksauer auf mich, als ich ihm erkläre, dass ich doch lieber auf die Kraft des reinen Herzens setze, in dem alle Flüche verbrennen, und etwa eine Stunde später geschieht etwas, das mir schon wieder die Gelegenheit gibt, ein bisschen an Hokuspokus zu glauben. Aber nur ein bisschen.
Der Pulex irritans, besser bekannt als Menschenfloh, wird als Fluginsekt klassifiziert, obwohl er keine Flügel hat und nicht fliegen kann. Es sieht nur so aus. Seine Flügel sind seine Beine, Supermann-Beine, würde ich sagen, denn er springt bis zu einem halben Meter weit. Für ein 1,6 bis 3,2 Millimeter großes Tier ist das eine beachtliche Leistung. Springen wir höher, als der Eiffelturm ist? Wie der Name schon sagt, hat sich dieser Floh auf den Menschen spezialisiert. Seine Nahrung ist Blut. Er speist einmal am Tag und nimmt dabei das Zwanzigfache seines Körpergewichts zu sich. Er macht das nicht mit einem einzigen Stich,
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