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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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denn der Mensch kratzt sich instinktiv, da muss ein Floh auf der Hut sein. Er springt von Stich zu Stich, oft in geraden Linien (Flohstraßen), und dieser eine Floh reicht aus, um einen Menschen in zehn Minuten mit kleinen rötlichen Papeln zu übersäen, die stark jucken und im Schlaf aufgekratzt werden. Der Menschenfloh gilt als Überträger verschiedener Krankheiten, eine von ihnen gehört zu den Alpha-Schrecken der Menschheit. Hohes Fieber, Gliederschmerzen, Wahnsinn und große, stark geschwollene, blauschwarze Beulen am Hals, unter den Armen und in der Leistengegend. Die Geschwüre sind extrem schmerzhaft, irgendwann platzen sie und eitern. Die Beulenpest ist in Europa kein Thema mehr, aber in Afrika schon. 2003 brach sie in Algerien aus, 2005 in der Demokratischen Republik Kongo, 2006 im Kongo, Anfang 2008 auf Madagaskar und Ende 2008 in Uganda. Im Senegal gab es die Pest in größerem Stil seit längerem nicht, für die Nachbarländer gilt dasselbe.
    Der Pulex irritans, der mich in Ruths Herberge anspringt, muss also nicht zwingend ein Überträger der Pest sein, aber sie haben ja auch noch andere Sachen drauf, wie zum Beispiel das Fleckfieber. Der Menschenfloh hat eine Reise hinter sich, er kommt aus den Mangrovenwäldern von Senegals Nachbarland Gambia. Seine Wirtsträgerin heißt Chantal. Sie arbeitet für einen französischen Fernsehsender, hat in Gambia gedreht und gestern Abend im «Keur Diame» eingecheckt. Ich habe ein Glas Wein mit ihr auf der Terrasse getrunken, wobei sie sich ständig kratzte. Heute Morgen ist sie weiter nach Paris geflogen, vorher tauschten wir unsere Mailadressen aus. Bei diesem Austausch kam sie mir näher als am Abend, weil sie mir über die Schulter schaute, während ich an meinem Schreibtisch Notizen machte. Leichtes Spiel für den Pulex irritans. Nicht, dass er irgendetwas gegen Chantal gehabt hätte, der Wechsel des Wirtsträgers war nicht persönlich gemeint. Das war vor etwa zwei Stunden, vor etwa zehn Minuten ging das Jucken los. Und das Kratzen. Und als ich das Hemd ausziehe, sieht die Haut meiner linken Körperhälfte wie ein Streuselkuchen aus. Ich schlage Alarm, Ruth eilt herbei, sie hatte noch nie Flöhe im Haus, weiß aber trotzdem, was zu tun ist. Die Mädchen kochen meine komplette Garderobe aus, nicht nur, was ich am Körper getragen habe, sondern alles, was im Zimmer rumlag und im offenen Rucksack. Der Menschenfloh kann überall in diesem Zimmer sein. Also kochen sie auch die Bettlaken. Danach wird alles auf der Dachterrasse ausgebreitet, um den hoffentlich schon verkochten Floh noch mal in der Mittagssonne zu braten. Ich trage derweil eine Dschellaba von Ibra. Ich glaube, er hat mir seine beste gegeben. Die für die Festtage oder fürs Gebet. Sie ist zwar nicht aus Seide, aber doch aus einem angenehm zu tragenden feinen Stoff, und ich wünschte, ich könnte jetzt sagen, ich sehe darin aus wie Peter O’Toole in «Lawrence von Arabien». Die Mädchen überschütten mich mit Komplimenten, aber ich glaube, in Wahrheit lachen sie mich aus. Ich komme klar damit, es freut mich, wenn wir alle Spaß haben. Außerdem freue ich mich, dass es endlich weitergeht. Ich packe meine Sachen, um Lisa wiederzusehen.

    Einen Tag vor meinem Rückflug spreche ich noch mal mit Juan, dem Primatenforscher. Wir sitzen auf Ruths Terrasse, und ich erkläre ihm in groben Zügen mein Problem in Mosambik. Dass ich möglicherweise in einer Buschlodge festgenagelt sein werde, wenn ich es nicht schaffe, meine Freundin dort loszueisen. Und dass ich mich in der Lodge langweile, weil ich nichts zu tun habe. Alle machen irgendwas Sinnvolles, alle finden Projekte, nur mir fällt nichts ein, außer … ja … außer einer Sache, die sich sicherlich verrückt anhört, aber er als Primatenforscher versteht mich vielleicht. Und vielleicht kann er mir sagen, wie es geht. «Also, Folgendes, Juan. In der Lodge leben jede Menge wilder Affen, diese kleinen, mit den großen schwarzen Augen, und sie platzen vor krimineller Energie. Sie stehlen aus den Hütten und Chalets alles Mögliche, aber am liebsten klauen sie die Zahnbürsten, keine Ahnung, warum. Kratzen sie sich damit am Rücken? Oder entwickelt sich hier eine Primatenart, der Zahnpflege wichtig ist?»
    «Ich denke, es ist der Mentholgeruch der Zahnbürsten», sagt Juan.
    Ich liebe Wissenschaftler, sie sind so erleuchtend, und was meine Idee angeht: «Wenn nach Anbruch der Dunkelheit in der Lodge der Strom ausgeschaltet wird, funktionieren in den

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