African Queen
Chalets die Klingeln nicht mehr, mit denen man den Roomservice rufen kann. Man muss seine Absacker also entweder vorbestellen oder selbst über schmale Sandwege und durch die Dunkelheit zur Küche gehen. Das ist nicht jedermanns Sache. Wäre es also möglich, Juan, die kleinen Affen zu dressieren? Sie holen die Bestellungen der Gäste ab, bringen sie zur Küche und bekommen dort eine gebrauchte Zahnbürste dafür.»
«Du musst sie mit Bananen trainieren», sagt Juan. «Stück für Stück, den ganzen Weg bis zur Küche. Aber als Erstes musst du sie dazu kriegen, den Bestellzettel überhaupt anzunehmen. Und gib ihnen nie eine ganze Banane. Dann sind sie satt. Immer nur ein kleines Stückchen.»
«Und warum locke ich sie nicht gleich mit den Zahnbürsten?»
«So viele Zahnbürsten habt ihr nicht. Die Dressur dauert zu lange.»
In der Nacht klopft Adama an meine Tür. Er ist mein Lieblingstaxifahrer von den dreien, mit denen Ruth arbeitet. Er gehört zu einem Stamm, der im Grenzgebiet von Senegal und Mauretanien lebt, und eine der positivsten Eigenschaften dieses Stammes ist seine Wertschätzung der Ehre. Sie geht ihnen über den Beschiss. Außerdem ist Adamas Englisch so lustig. Wir fahren gerade an einem Auffahrunfall vorbei, und sein Kommentar dazu: «New car stop, old car no stop: Bumm!» – «Maybe no break», vermute ich, und er schüttelt zur Bestätigung den Kopf. «Maybe no break, maybe no head, maybe crazy», sagt er und lacht.
Es ist wieder mal Vollmond. «Virgin Air» hebt um vier Uhr morgens ab, zwei Stunden vorher muss ich am Flughafen sein. Wir haben Zeit, und das ist nicht nur gut so, sondern auch von mir so geplant, denn mit Adama ohne Zeit zu fahren, ist die Hölle, mit Zeit ist es nur die Vorhölle. Adama ist toll, aber sein Taxi ist Schrott. Er will es nicht wahrhaben, weil er es so oft putzt und die Beulen lackiert und es selber täglich irgendwie repariert, mit Drähten, wo es Schrauben bräuchte, mit selbstgebastelten Zündkerzen, mit den Schnäppchen der Schrottplätze. Für normale Ersatzteile fehlt ihm das Geld, denn er hat Familie. Eine Frau, einen Sohn, eine Tochter, einen Vater, eine Mutter, Brüder und Schwestern. Adama ernährt fünfzehn Menschen, aber er beschwert sich nicht, im Gegenteil. Er liebt seine Familie fast noch mehr als sein Taxi, das aber bei aller Liebe trotzdem mal Stoßdämpfer bräuchte und nicht nur so etwas Ähnliches, auch neue Sitze wären fabelhaft. Für meinen Rücken ist Adamas Taxi ganz klar ein Feind. Trotzdem fahre ich am liebsten mit ihm, a) wegen Adama und b) weil es in Dakar noch sehr viel schlechtere Taxis gibt als seins. Taxis ohne Bremsen, Taxis ohne Licht, Taxis ohne Auspuff oder, was noch blöder ist, mit falsch verlegtem Auspuff, also Taxis, bei denen Abgase in den Innenraum strömen und dich volldröhnen, bis du so wehrlos bist wie ein Komapatient. Und es gibt auch Taxis ohne alles, in denen selbst die Lenkung nicht mehr stimmt, sondern nur noch schwimmt, während die Räder eiern, als wären sie mit dem gleichnamigen Likör gefüllt. Das klingt übertrieben? Stimmt. Aber das ist nicht meine Schuld. Es gibt einen TÜV im Senegal, aber er prüft offensichtlich nach anderen Kriterien als unser Technischer Überwachungs-Verein. Cash an, Cash aus. Und wer darüber hinaus von selbst rein- und wieder rausrollen kann, hat auch die strengsten Anforderungen des senegalesischen TÜV erfüllt. Also, was soll’s? Ich finde es schön, dass mich Adama zum Flughafen bringt, er ist mir wie ein Freund. «Have good life», sagt er zum Abschied, und das war’s mit Senegal.
12. FEUERGESCHICHTEN
Z urück in der Lodge, zurück in Lisas Hütte, geht es mir erst mal ziemlich gut. Aber ein Problem bleibt bestehen: Krieg ich Lisa hier raus oder nicht? Sie hat sich recht gut eingelebt in meiner Abwesenheit, sie hat ihren Job im Griff, und das scheint Collin auch so zu sehen. Schon fragt er an, ob sie vielleicht ein bisschen länger bleiben könnte als abgemacht, zwei Wochen, möglicherweise drei. Und weil er weiß, dass er nicht sie, sondern mich überreden muss, schlägt er vor, dass wir umziehen. Von der Mitarbeiterhütte in ein Gästechalet. Statt zwölf Quadratmeter «african basic» fünfzig Quadratmeter Wohnlichkeit, statt eines Betts mit bewohnbarem Stauraum zwei Etagen mit Schreibtisch, Kanapees und allen Schikanen und statt der Miniterrasse einen Privatstrand. Er wird «Venus-Beach» genannt, weil der Planet der Liebe angeblich direkt über ihm ist.
Collin
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