African Queen
geht noch weiter. Er lässt dort zur blauen Stunde für uns einen Tisch aufstellen, mit weißem Linnen, Porzellantellern und Silberbesteck. Öllämpchen ersetzen, wegen des Winds, die Kerzen. Trotzdem erreicht Collin nichts mit dem Candle-Light-Dinner-Sondermenü für Lisa und mich. Ich sage nein, weil ich nicht korrupt bin, und Lisa sagt nein, weil sie ihre Hütte so liebt. Wir ziehen nicht um, wir bleiben, wo wir sind, obschon damit noch immer nicht klar ist, wie lange wir dort bleiben, wo wir sind.
Frauen sind von Haus aus unberechenbar, und Lisa ist in dieser Hinsicht besonders fraulich. Es ist ihr Sternzeichen – wer mit einem Zwilling zusammen ist, führt im Grunde eine Dreierbeziehung. Zwillinge sind keine gespaltene Persönlichkeit, sondern wirklich zwei. Die beiden haben nichts miteinander zu tun, außer, dass sie in einer Seele wohnen. Um sich dabei nicht im Weg zu stehen, schläft der eine, während der andere wacht. Und beide heißen Lisa. Mir wäre es lieber, sie hätten verschiedene Namen, dann könnte ich sie besser auseinanderhalten. Und würde mich nicht dauernd auf Aussagen von der einen Lisa berufen, die von der anderen Lisa stammen. Morgens sagt sie in der Regel, dass es langsam reicht, mit Collin, der Lodge und der Unterwürfigkeit vor den Gästen, und abends findet sie das alles dann wieder ganz in Ordnung, um nicht zu sagen super. Ich kann das sogar fast verstehen, denn abends heißt:
African TV.
Hat sich jemals jemand am Lagerfeuer gelangweilt? Hatte jemals jemand beim Blick in die Flammen das Gefühl, Zeit zu verschwenden? Oder sich Zeit stehlen zu lassen? Ist jemals jemand fett, faul und blöd dabei geworden? Natürlich sind das nur rhetorische Fragen. Natürlich stimmt das Gegenteil. Alle Menschen lieben es, am Feuer zu sitzen. Es ist ein archaisches Entertainment, ein genetisch garantiertes Vergnügen, und nun stellt sich die Frage, warum? Ich habe das gestern Abend in der Runde zum Thema gemacht, und das sind die Antworten: Willi, Manager einer Schraubenfabrik aus Thüringen und seit zwei Tagen Gast in der Lodge, sagte: «Ist doch klar. Es gibt keine Werbung.» Raymond, im Ölgeschäft und aus Schottland, meinte, man könne jederzeit auf Toilette gehen, ohne was zu verpassen, und Lisa freute sich über den «multilingualen Aspekt» des African TV. Jeder versteht die Sprache des Feuers. Sogar die Schwerhörigen, wie ich.
Und was genau spricht es? Was sind seine Botschaften? Welche Informationen und Breaking News transportieren brennendes Holz und funkelnde Glut? Ich würde sagen, sie reflektieren die Befindlichkeiten unserer Seele. Sie nehmen, oder anders, sie saugen unsere Gedanken und Emotionen, unsere Hoffnungen, Ängste und Pläne, unsere Erinnerungen, inneren Bilder und heimlichen Filme aus uns heraus, um sie erst flackern und lodern und dann herunterbrennen zu lassen, bis sie schließlich Rauch und Asche werden. Mit dem Rauch steigen unsere Themen nach oben, also zu den Sternen. Und in der Asche finden sie Frieden. African TV verschmutzt deshalb nicht die Seele, sondern reinigt sie. Und wer das Programm wechseln will, braucht nur an einem der Äste zu ruckeln oder einen neuen hineinzulegen. Ach ja, noch etwas, fast vergaß ich es. Diese Art von Fernsehen toleriert Gespräche, Lieder und tiefes Schweigen gleichermaßen, und auch das Rauschen der Wellen, das Flüstern des Windes und das Brüllen der wilden Tiere da draußen im Busch stören dabei nicht wirklich.
Was die Gespräche am Feuer angeht: Nun ja, nicht jeder, der dreihundert Dollar pro Nacht bezahlen kann, ist auch ein geborener Erzähler. Die meisten wollen unterhalten werden, und das ist für den Unterhalter auch nicht durchgehend unterhaltsam. Glücklicherweise ist die Weinkarte der Lodge exzellent, und Lisa und ich zahlen Mitarbeiterpreise, darüber hinaus bietet die mobile Strandbar alle gängigen Cocktails. Die mobile Strandbar besteht aus zwei Plastiktischen mit Tischtuch und vielen Flaschen. Sie wird jeden Tag vor dem Feuer aufgebaut und nach dem Feuer wieder abgebaut. In der Regel sind zwei, manchmal auch drei Barmänner vor Ort. Sie wechseln, aber Francis ist fast immer einer von ihnen, weil er so gut Englisch kann.
«You like our Gin Tonic, jaaaaaaa?»
Für mich ist die Szenerie etwas surreal. Paradiesischer Strand, braver Busch, die Gäste und die europäischen Mitarbeiter der Lodge, oder soll ich gleich sagen: die Weißen, sitzen in großen Stühlen im Halbkreis um das Feuer, und die Einheimischen hocken
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