African Queen
natürlich brauchten sie auch zweihundert bewaffnete Askaris sowie Köche, Ärzte und Handwerker, und für die Wegstrecken, bei denen Flüsse zu überqueren waren, benötigten sie, ich vergaß es zu erwähnen, vier leichte Stahlboote und einen Schleppdampfer, und als der, ebenfalls in Teile zerlegt, endlich mit dem Postdampfer «Kaiser» nachgekommen war, stellte sich Hermann von Wissmann an die Spitze dieser kleinen deutschen Anti-Sklavenhandel-Armee, zeigte mit ausgestrecktem Arm in den Busch und rief:
«Vorwärts!»
Mit ihm war Kapitän Prager. Er führte die Expedition, wenn Wissmann anderen Pflichten nachkam. Prager war von Anfang an dabei und sollte auch auf dem Malawisee das Kommando des Schiffes übernehmen. Er war keine Leuchte, aber pflichtbewusst und Wissmann, dem Vaterland und der guten Sache treu ergeben. Ein gutmütiger Kommisskopf, der wusste, worauf es im Busch ankam. Exerzieren, exerzieren, exerzieren. In jeder freien Minute. Davon gab es reichlich, denn der Busch bremste die Expedition einige Male für mehrere Monate aus, dann bauten die Mitglieder ein befestigtes Lager auf, das schnell zu einem Dorf anwuchs, und vertrieben sich die Zeit mit, ich sag’s noch mal, Exerzieren, Exerzieren, Exerzieren. Ansonsten kämpften sie gegen wilde Flüsse, Dickicht und Sümpfe, gegen Malaria, feindlich gesinnte Stämme und Krokodile, nur gegen die Engländer kämpften sie nicht. Warum auch? Kämpfe ich gegen Collin und Don Brioni? Kämpfen die gegen mich? Auf dem schwarzen Kontinent verhalten sich Weiße untereinander solidarisch. Dachte Kapitän Prager und irrte sich zunächst auch nicht. Wenn er mit seinen Stahlbooten in Untiefen festsaß, zog ihn ein stärkeres britisches Schiff, das in der Nähe war, heraus, und als während eines Aufstands der heimischen Buschbevölkerung eine englische Einheit aufgerieben zu werden drohte, rettete Prager sie mit seinen Leuten.
Nach zwei Jahren erreichten sie den Malawisee, errichteten dort eine Werft und schraubten das Schiff zusammen. Und auf ging’s mit sechzig PS, achteinhalb Knoten und einem 3,7-cm-Revolvergeschütz gegen die Sklavenhändler. Etwa zwanzig Jahre lang. Und in diesen zwei Jahrzehnten ist es dem guten Kapitän Prager nicht ein einziges Mal gelungen, die gewieften arabischen Sklavenhändler-Scheiche auf frischer Tat zu stellen. Das ist ein betrüblicher Aspekt der Geschichte: Der ganze Wahnsinn dieser Expedition hat nicht einen Sklaven befreit. Das Abenteuer war der Abenteurer einziger Lohn.
Kapitän Prager schipperte also mit der «Hermann von Wissmann» tagein, tagaus über den Malawisee und kämpfte unverdrossen gegen Wind und Wellen, gegen Alter und Geschlechtskrankheiten, gegen Heimweh und die afrikanische Lethargie, nur gegen die Engländer kämpfte er noch immer nicht. Im Gegenteil, die freundschaftlichkollegialen Beziehungen verfestigten sich. Die Briten hatten, dem Beispiel der Deutschen folgend, selbst ein Kanonenboot zum Malawisee geschafft, und immer wenn es in die Nähe der «Hermann von Wissmann» tuckerte, freuten sich die Kapitäne und europäischen Offizierskollegen auf einen entspannten Umtrunk. Der Deutsche und der Engländer wurden unter diesen Umständen keine Freunde im klassischen Sinn, aber sie pflegten immerhin ein Verhältnis, das man weltweit Saufkumpan nennt. Und das ist der zweite betrübliche Aspekt dieser Geschichte: Wie viel Substanz hat die Saufkumpanei? Was bringt sie über das Saufen hinaus? Als im August 1914 in Europa der Erste Weltkrieg ausbrach, beantwortete sich diese Frage folgendermaßen: Die «Hermann von Wissmann» besaß keine Telegraphenmaschine, aber die Engländer auf der «Gwendolin» hatten eine. So erfuhr der britische Kommandant, dass Engländer und Deutsche ab sofort Feinde waren. Kapitän Prager hatte davon keine Ahnung. Er saß an einem Strand des Malawisees neben seinem Schiff und frühstückte, als er das britische Kanonenboot am Horizont auftauchen sah. Gott, wie freute sich der Deutsche über den unangekündigten Besuch seines Kumpels, er sprang auf und winkte ihnen zu, und als die Engländer da waren, wurde er gefangen genommen und sein Schiff demontiert. Und das war es dann mit der «Hermann von Wissmann».
Ich habe darüber mit dem englischen Zahnarzt einigermaßen erregt diskutiert. Ist das Fairplay? Ist das die feine englische Art? Warum hat der Mann seinen deutschen Saufkumpel nicht gewarnt? «Hör mal, good old boy, es ist Krieg, und wir müssen uns jetzt leider bekämpfen. Möge der
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