African Queen
hat nur eine, es kann also sein, dass er ein bisschen neidisch ist, wie alle Intellektuellen, die mit geborenen Zuhältern konfrontiert sind. Freddy hat Energiemanagement studiert, was immer das sein mag. Elektrifizierung, sagt Freddy, aber er hat schnell eingesehen, dass damit in Tansania nichts zu verdienen ist, darum stieg er auf das Touristikstudium um, fand jedoch auch hier schnell heraus, dass in der Praxis mehr Geld als in der Theorie steckt, und wurde Fahrer, Guide und Mädchen für alles in dem blühenden Safari-Geschäft.
Freddy fährt gut, aber langsam, außerdem sind wieder eine Menge gelbe T-Shirts und blaue Kappen unterwegs, wir brauchen fast zwei Stunden bis Arusha und gut eine Stunde, bis wir aus der Stadt raus und endlich auf der Serengeti-Zubringerautobahn sind. Sie ist weniger befahren, trotzdem fährt er nicht schneller. Rechts und links nur noch Savanne, von einem Berg am Horizont steigt eine große schwarze Wolke auf. Freddy reagiert irritiert. «Ein Vulkan», sagt unser Fahrer, «er bricht gerade aus.» Weil er das immer tut oder weil die Welt untergeht? Freddy lacht wieder und schiebt Reggae in den Auto-CD-Player. Gute Idee. Bob Marley ist immer eine gute Idee. Freddy findet das auch. Bob Marley sei ein Prophet gewesen, sagt er, und ich gebe ihm recht. Zu einigen Leuten, die wir heute Musiker nennen, hätte man in früheren Zeiten heiliger Mann gesagt. Mozart, Hendrix, Bob Marley. Gott sprach mit Reggae durch ihn zu uns. Die nette Seite von Gott, denn immer, wenn du Reggae hörst, bist du sofort gut drauf. Es ist die «No problem»-Musik schlechthin, deshalb hörst du sie überall in Afrika. Ja, sagt Freddy, das stimmt. Würde Marley noch leben, wäre er heute unser aller Präsident. «Get up, stand up: stand up for your rights», Freddy und ich singen mit und haben einen nahtlosen Übergang zur Politik. Freddy ist für die Opposition und, wie sich herausstellt, ziemlich engagiert und siegesbewusst. «Wir sind stärker, als sie glauben, aber sie werden versuchen, die Wahlergebnisse zu manipulieren. Für euch ist das gut.»
«Warum?»
«Sie werden die Ergebnisse erst einen Tag später veröffentlichen und nicht am Sonntag, wenn wir zurückfahren.»
«Du meinst, sie werden gewinnen und trotzdem verlieren, und deshalb ist dann hier die Hölle los?»
«Ja. Aber erst am nächsten Tag. Und auch erst am Abend. Wenn sie alle betrunken sind. No problem, Mr. Tim, ich weiß, was ich tue.»
Ein Lastwagen mit schwerbewaffneten Soldaten überholt uns. «Wohin wollen die?»
«Zu dem Dorf, in dem der Herausforderer geboren wurde.»
«Der Ex-Priester?»
«Ja.»
«Was will er ändern, wenn er gewinnt?»
«Die Korruption abschaffen.»
«Ach so, das will jede Opposition in Afrika, Freddy, und sobald sie an die Macht kommt, ist sie genauso korrupt wie die Regierung davor. Das ist kein Rassismus, mein Freund, das lehrt die Geschichte dieses Kontinents der letzten, na sagen wir, siebzig Jahre.»
«Das muss nicht immer so sein», sagt Freddy.
«Nein, natürlich hast du recht. Der erste unbestechliche Präsident Afrikas wird der wiedergeborene Bob Marley sein.»
«No woman, no cry.»
Der Highway to Paradise endet vor den Toren des Ngorongoro-Naturschutzgebiets. Das ist noch nicht die Serengeti, sondern eine Art Halbreservat, in der die Massai noch was zu sagen haben. Sie dürfen ihre Herden durchtreiben, trotzdem schnuppern wir hier bereits das wilde Tier. Freddy lässt uns für ein paar Minuten mit dem Wagen allein, um die Eintrittskarten zu kaufen. Vorher schärft er uns ein, auf keinen Fall die Autotüren offen zu lassen. Die Affen, die hier rumlungern, würden sofort reinspringen, um irgendetwas Fressbares zu stehlen.
«Haben sie keine Angst vor uns?»
«Nein, sie fürchten sich nur vor Schwarzen. Weiße respektieren sie nicht.»
«Sind Affen Rassisten?»
Kaum ist Freddy ’ne Weile weg, vergesse ich seine Warnung. Ich stehe neben dem Wagen, rauche eine Zigarette, die Beifahrertür ist halb geöffnet, und schon kommt so ein Teil wie eine Kanonenkugel auf mich zugeschossen. Ich rufe «HUH!», aber den Affen interessiert das nicht. Er fliegt an mir vorbei auf den Beifahrersitz, dann turnt er nach hinten. Und was jetzt? Ich auch rein und Nahkampf? Das Tier ist nicht sonderlich groß, aber ich erinnere mich an eine Geschichte, die in der Lodge erzählt wurde. Die belgische Adlige berichtete dort von einer Freundin, der ein nicht sonderlich großer Affe im Vorbeihüpfen ein Auge ausgerissen hat. Ich
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