African Queen
militärischen Karriere LSD genommen hätte, und wie ich mich ohne LSD entwickelt hätte, und wenn ich all das wüsste und einordnen und abwägen könnte, würde ich den General Lettow-Vorbeck wahrscheinlich noch immer nicht schätzen, weil ich ein Hippie bin. Aber er fasziniert mich, wie jedes Genie.
Er hat während des gesamten Ersten Weltkriegs nicht eine Schlacht in Deutsch-Ostafrika gegen die Briten verloren. Auch nicht gegen die Belgier und Südafrikaner. Er hatte es mit einer zehnfachen Übermacht zu tun und besiegte sie immer wieder mit einer Guerillataktik, die auf permanentem Stellungswechsel, also Hochgeschwindigkeitsmärschen beruhte. Er vermied den offenen Kampf und konzentrierte sich darauf, dem Gegner die Nachschubwege abzuschneiden, und kam es doch zu offenen Kämpfen, gewann er sie. Als er die Nachricht vom Ende des Ersten Weltkriegs und den Befehl zur Kapitulation vom deutschen Generalstab bekam, brachte er es zwei Wochen lang nicht übers Herz, dem Befehl nachzukommen, weil er sich gerade, wie er sagte, «in einer strategisch günstigen Situation» befand. Über das militärische Talent hinaus erstaunt bei Lettow-Vorbeck, dass seine Feinde nach dem Krieg zu seinen Freunden wurden. Der südafrikanische General Jan Christiaan Smuts, der die alliierten Truppen in Afrika gegen die Deutschen führte, sammelte sogar unter seinen Offizieren für ihn, als Lettow-Vorbeck nach dem Krieg verarmte. Wer solche Feinde hat, braucht keine Freunde mehr, und mein persönlicher Bezug zum General ist, dass ich einmal in einer Straße gewohnt habe, die nach ihm benannt ist. So schlimm wie Shaka Zulu war der Deutsche also nicht, und damit können wir das Thema auch mal beenden und uns auf das konzentrieren, was Tino eigentlich sagen will. Tino sagt «Da!» und zeigt auf Wolken am Horizont, oder irre ich mich, und sie sind schon nah? «Da!» ist die Tarnkappe des Kilimandscharo.
Trotzdem, es muss noch gesagt werden. Das war ganz klar eine andere Nummer mit Lettow-Vorbeck und dem Südafrikaner als mit dem Kommandeur des englischen Kanonenschiffs auf dem Malawisee und dem armen Kapitän Prager. Lettow-Vorbeck konnte sich in der Uniform eines britischen Offiziers nach Sansibar durchschlagen. Von dort fuhr ein Schiff nach Hamburg. Außerdem war er bei seinen weißen Soldaten nicht beliebt, weil er sie so behandelte wie seine schwarzen, und die wiederum verehrten ihn genau dafür, aber auch, weil er nach dem Krieg durchsetzte, dass Deutschland seinen Askaris eine kleine, aber lebenslange Rente zahlte.
«Dann war er ja eigentlich kein Böser», sagt Lisa, bevor ihr Handy klingelt. Es ist die Mitarbeiterin des Safari-Veranstalters, für den wir uns entschieden haben. Man findet schier Hunderte im Internet, die einen in die Serengeti bringen, dieser schien ganz nett. «Moment mal», sagt Lisa, «ich muss das erst mit meinem Freund besprechen», und dann zu mir: «Das Billigste ist eine Zeltsafari, sie kostet zweihundert Dollar am Tag.»
«Frag doch bitte Tino, was er von Zeltsafaris hält.»
Lisa fragt ihn, er antwortet, sie redet wieder mit mir. «Tino meint, Zeltsafaris seien ganz okay. Die Löwen würden Zelte genauso wie Häuser als No-go-Areas akzeptieren. Aber der Reißverschluss muss immer zu sein, und man darf keine Lebensmittel im Zelt aufbewahren. Ich schlage vor, wir machen keine Zeltsafari.»
Wir buchen stattdessen zwei Lodges plus Safari-Jeep und Fahrer als Viertagespaket und nähern uns Moshi. Je näher wir der Stadt kommen, desto mehr gelbe T-Shirts und blaue Kappen tauchen wieder auf. Das Plakat des Präsidenten ist überall, aber hier sehe ich auch des Öfteren das von seinem Herausforderer, was in Sansibar nicht möglich war. Lisa sagt, laut Tino sei die Wahl überall in Tansania völlig ungefährlich, weil die Leute viel zu faul für Unruhen seien, nur in dieser Provinz müsse man aufpassen, denn der Kandidat der Opposition stamme von hier.
Moshi hat etwa hundertfünfzigtausend Einwohner und ist eine Stadt, in der alles funktioniert. Leute aus aller Welt wollen den Kilimandscharo rauf, und das bringt Geld. Andere Leute, so wie wir, starten von hier zur Safari in die Serengeti. Tino bringt uns zum Basishotel unseres Veranstalters und verabschiedet sich. Unser Zimmer ist klein, kahl und in geschmacklosen Farben gestrichen, eine Vogelspinne empfängt uns. Sie ist fast so groß wie eine Ratte. Auf dem Tisch liegt ein wenig erfreuliches Informationsblatt des Tourveranstalters: 1. Man solle nach Anbruch der
Weitere Kostenlose Bücher