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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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mache alle Türen sperrangelweit auf und schlage mit der Faust aufs Dach. Lärmfolter. Aber den Affen interessiert das nicht. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass er lacht. Glücklicherweise kommt Freddy früher zurück als gedacht, und sobald der Affe den Afrikaner sieht, haut er ab. Noch mal: Wie rassistisch sind Primaten? Ich gehe mal davon aus, dass sie persönlich nichts gegen Weiße haben. Sie halten uns nur für Weicheier. Freddy hätte ihm wahrscheinlich zur Not auch eins mit dem Wagenheber übergezogen, und das weiß der Affe. Entweder hat er es schon selbst erfahren, oder seine Affenmama hat es ihm gesagt. Keine Angst vorm weißen Mann. Der ist tierlieber als jedes Tier. Aber siehst du einen Afrikaner, liebes Kind, verpiss dich bloß geschwind.
    Etwa eine halbe Stunde später und zwölfhundert Meter höher halten wir dann vor dem Gedenkstein des wahrscheinlich größten Tierfreundes aller Zeiten an. Die Asche von Professor Grzimek und seinem Sohn Michael ruht hier. Denn hier gehört sie hin. Hier ruhen auch ihre Träume. Ihre Schmerzen, ihre Triumphe. Für ewig vereint, mit Blick auf den Ngorongoro-Krater. Sollte es vor den Toren des Paradieses Probleme gegeben haben, weil der Deutsche ein Weiberheld und notorischer Fremdgänger gewesen ist und nach dem Tod seines Sohnes dessen Witwe, also seine eigene Schwiegertochter, heiratete – sollte Petrus also deshalb Schwierigkeiten gemacht haben, dann waren es die Stimmen von etwa hundert Millionen Tieren, die für die Seele des geilen Professors sprachen. Warum so viele? Weil es hier um etliche Generationen geht, die dank Bernhard Grzimek nicht nur überlebten, sondern noch dazu ausgesprochen artgerecht. Außerdem leben auch die Menschen der Region nicht schlecht von der Idee eines fünfzehntausend Quadratkilometer großen Freilichtzoos, in dem die Besucher eingesperrt sind (Safari-Jeeps, Lodges) und sich die Tiere frei bewegen. Rund hunderttausend Touristen kommen jährlich, und jeder bezahlt achtzig Euro oder hundertzehn Dollar oder 195957,45 von den Dingsbums Parkgebühr, um die Serengeti zu sehen. Noch mehr Geld lassen sie bei den Safari-Veranstaltern, und die Fahrer bekommen auf ihren regulären Lohn ein fettes Trinkgeld, minimum zwanzig Euro pro Tag, wenn sie nett sind. Man sehe sich nur Freddy an. Er ist besser gekleidet als ich und voller optimistischer Zukunftsvisionen. Er träumt von einem eigenen Wagen, einem eigenen touristischen Unternehmen, er will sein eigener Boss werden, und die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Für Freddy kommt deshalb Professor Grzimek gleich hinter Bob Marley. Na klar ist der im Himmel, auch wenn er neben seinem unmoralischen Sexualverhalten noch eine Schwäche für unchristliche Scherzartikel hatte. Der Professor liebte es, täuschend echt aussehende Kothäuflein aus Plastik auf die Klobrillen zu legen, wenn Gäste im Haus waren. Also scheiß doch auf den Papst, außerdem heiligt der Zweck die Mittel. Was glaubst denn du, Petrus, fragen die hundert Millionen Tiere, auf welche Weise dieser zauberhafte Mann die zum Teil exorbitanten Geldspenden aus den reichen Touristinnen für uns herausgeholt hat? Freddy und ich befreien den Grabstein des größten Tierheiligen der Menschheit mit unseren Mützen noch ein bisschen von Staub und Vogeldreck, und weiter geht’s, denn bis zur Serengeti sind es noch rund zwei Stunden Fahrt, und Freddy will unbedingt noch vor Anbruch der Dunkelheit da sein, damit das volle Safarihonorar für den ersten Tag noch irgendwie gerechtfertigt ist.
    Mit Grzimek geht es mir übrigens wie mit Lettow-Vorbeck. Mir fällt dauernd noch was ein. Als er noch ein kleiner Junge war, haben ihn andere kleine Jungen Igel genannt, wenn sie ihn ärgern wollten. Wahrscheinlich trug er einen Bürstenhaarschnitt, wie auch ich einen als Kind hatte. Mich nannten sie Mecki. Nun gibt es grundsätzlich zwei Sorten Mensch. Die einen hätten sich nach so einer Kindheit den Rest ihres Lebens für die Ausrottung des Igels starkgemacht; die anderen würden, wie Grzimek, den Igel zu ihrem Wappentier ernennen und ihn auf ihre Krawatten sticken lassen. Und noch etwas. Der Professor hatte super Sprüche drauf. «Der Einzige, der ein Ozelotfell wirklich braucht, gnä’ Frau, ist der Ozelot.»
    Mittlerweile sind wir angekommen. Da ist es, das Tor zur Serengeti. Ich finde es fast zu klein für den großen Moment. Vielleicht liegt es auch ein wenig daran, dass hinter ihm nur Weite liegt, im Grenzbereich der Unendlichkeit.

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