Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
Vom Netzwerk:
dazu trägt er ein buntes Stirnband, Bergschuhe und eine kurze Hose, das heißt, er ist nicht eitel, sonst würde er zu langen Beinkleidern greifen. Er ist neunundfünfzig, genauso alt wie ich. Auch er gönnt mir Lisa nicht. Ich gewöhne mich langsam dran. Der Afrika-Veteran will wissen, wie es auf der «Swiss-Farm» gewesen ist, und als ich sage «wunderbar», sieht er mich an wie ein Mann, der es nicht mehr hören kann, aber als ich das «wunderbar» ein bisschen relativiere, weil die Frau, die uns bedient hat, für hiesige Verhältnisse unfreundlich war und uns auch keinen Käse zum Mitnehmen verkaufen wollte, obwohl im Internet steht, dass dies üblich sei, verfinstert sich Tinos Miene endgültig.
    «Die ‹Swiss-Farm› gehört Jesus», sagt er. «Das ist das Problem.»
    «Warum ist Jesus ein Problem?»
    «Weil er sich seit zweitausend Jahren um nichts mehr gekümmert hat.»
    Das ist natürlich ein Satz, der immer stimmt, aber was genau Tino damit sagen will, weiß ich, obwohl er es mir erklärt, nicht, weil er, wie fast alle Griechen, ein sehr schlampiges Englisch spricht und ich, wie erwähnt, schwerhörig bin. Sicher hat es damit zu tun, dass die «Swiss-Farm» das Projekt einer Kirche ist, aber warum Gottes Sohn sich dafür zuständig fühlen sollte, wenn eines seiner schwarzen Schäfchen mir kein Stück von dem fabelhaften Käse aus dem Euter deutscher Kühe mitgeben will, das begreife ich nicht. Vielleicht litt sie unter Menstruationsbeschwerden, und da kann auch Jesus nichts machen.
    Bei Schwerhörigen funktioniert Verstehen ähnlich wie ein Kreuzworträtsel. Manche Wörter hört man, manche nicht, die Lücken füllt man mit Möglichkeiten. So könnte er es meinen, so ergibt es Sinn, und das ist mühsam und ermüdend, darum hört man irgendwann nicht mehr hin, aber vermittelt durch ein Lächeln, wenn er lächelt, durch ein Lachen, wenn er lacht, und durch böse Blicke, wenn er böse blickt, jedem Tino dieser Welt die Gewissheit, dass man ganz Ohr ist. Win-win. Tino redet gern, und ich hab trotzdem meine Ruhe. Und ich kann jederzeit wieder einsteigen, als wäre nichts geschehen. Als er mal Pause macht, sage ich Tino, dass mich derzeit das Thema Heimat sehr beschäftigt, die Heimat der Seele sowie die der Gene, und frage ihn, wie er es damit hält, ob er in Afrika zu Hause ist oder ob er sich nach den Zypressen auf Zypern sehnt, und Tino sieht mich mit offenem Hass an:
    «Darüber habe ich die ganze Zeit geredet!»

19. HIGHWAY TO HEAVEN
    T ino bringt uns mit seinem Jeep zum Kilimandscharo. Obwohl Lisa hinten sitzt und ich neben ihm, quatscht er nur sie drei Stunden lang voll. Mit mir redet er nicht mehr. Manchmal übersetzt sie mir, was Tino erzählt. Wir fahren durch die Savanne, die wir vom Irente View Point bestaunt hatten, und Lisa sagt:
    «Tino redet gerade über den von dir verehrten General. Er hat genau hier wieder mal gegen die Engländer gekämpft.»
    «Und, hat er gewonnen?»
    «Tino sagt, ja.»
    Es stimmt übrigens nicht, dass ich den General Lettow-Vorbeck verehre. Ich schätze ihn nicht einmal, ich weiß zu wenig von seinen seelischen Qualen, wenn er den Befehl zum Niederbrennen von Dörfern und Feldern gab, um dem Feind keine Nahrung zu überlassen. Die Engländer hielten es genauso, die Belgier auch. Keiner meinte es persönlich, sondern rein strategisch, sie waren Profis und machten ihren Job, und ihr Job war der Erste Weltkrieg in Afrika. Aber um ihn zu schätzen, müsste ich wissen, ob es ihm das Herz zerriss, seine schwarzen Soldaten für einen Konflikt zwischen Weißen sterben zu sehen. Ich müsste auch wissen, ob er glaubte, dass der Kampf und das Töten letztendlich unumgänglich waren, und ich müsste wissen, ob er das alles nur für das Vaterland tat und welche Stellung die Idee des Vaterlands Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in den Köpfen und Herzen der Menschen hatte. War das Vaterland eine Geisteskrankheit der Zeit? «Willst du das Vaterland in dieser schweren Stunde im Stich lassen?» Das hat nicht Paul von Lettow-Vorbeck gesagt, sondern Katharine Hepburn in «African Queen», weil Humphrey Bogart sich weigerte, Pressluftflaschen zu Torpedos umzugestalten, um damit nach Kriegsausbruch ein deutsches Kanonenboot zu versenken. «Nein, so habe ich das nicht gemeint», antwortete Bogart darauf. Man sagte also nur «Vaterland», und die coolsten Leute standen stramm. Ich müsste auch wissen, was aus Lettow-Vorbeck geworden wäre, wenn er vor Beginn seiner rasanten

Weitere Kostenlose Bücher