Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
jaulte die Hupe aber auch, sobald am Straßenrand Kuhhirten oder Händler mit ihren Karren etwas zu nah an den Fahrbahnrand kamen oder die Aufmerksamkeit von weit abseits stehenden Passanten auf den mittlerweile rasenden Bus gelenkt werden sollte. Jede Kurve wurde mit Highspeed genommen und verriet die Einstellung des Busfahrers, die keinesfalls darin bestand, den Bus möglichst sicher zu steuern. Vielmehr sah er für mein Dafürhalten in jeder Kurve die Herausforderung, ob der Bus mit der gefahrenen Geschwindigkeit aus der Kurve getragen würde oder nicht. Dass er fast in jeder Kurve mit quietschenden Reifen auf die Gegenfahrbahn geriet, schien ihn in keinster Weise zu beeindrucken.
Von meinem Sitzplatz aus konnte ich mit etwas Mühe auf den Tachometer sehen und die Geschwindigkeit ablesen. Selten fuhr er jetzt langsamer als 120 km/h. Dies hielt ihn auch nicht davon ab, laut in eines seiner beiden Handys zu schreien oder gar Kurznachrichten zu versenden.
Wenn er nicht mit seinen Handys beschäftigt war, ließ er sich von seinem links neben ihm kauernden Platzanweiser von den Beschwerlichkeiten des Busfahrerlebens ablenken. Der Platzanweiser wiederum hatte eine junge und sehr hübsche Tansanierin mit ihrem Kleinkind zwischen sich und unserer Sitzreihe platziert. Dem dreckigen Lachen der beiden Dar Express-Heroen nach zu urteilen, musste sie einiges an Anzüglichkeiten über sich ergehen lassen, machte aber gute Miene zum bösen Spiel. Mehrmals hielt sie es aber für nötig, die Aufmerksamkeit des Busfahrers auf den Straßenverkehr zu lenken. Als in einer lang gezogenen Rechtskurve mehrere Fahrradfahrer am linken Fahrbahnrand ihre mit Körben vollbeladenen Räder schoben, wurden diese von dem über die Beeinträchtigung verärgerten Busfahrer in letzter Sekunde durch eine markerschütternde Hupfanfare von der Straße förmlich in den Graben geblasen. Obwohl sie allesamt übel stürzten, zeigte der Mann am Steuer, für uns bereits nicht mehr überraschend, keinerlei Reaktion.
Dafür reagierte er bei entgegenkommenden Bussen der gleichen Buslinie geradezu euphorisch. Neben einer genau einstudierten Hupchoreografie hielt er verschiedene Grußrituale bereit, die er mit den Händen ausführte. In halsbrecherischer Art und Weise Bus zu fahren, Mädels anzumachen und dabei verführerisch anzublinzeln, zu telefonieren oder gar Kurznachrichten zu versenden und dabei die Fahrbahn noch von störenden Hindernissen zu befreien, alles war mittlerweile kein Problem mehr.
Als ein Fahrgast in der Sitzreihe direkt hinter dem Fahrer auf der Straße mehrere hundert Meter vor uns einen Greifvogel erblickte und den Fahrer gellend „Look, look, an eagle picking up a snake“ zurief, wurde der König der Lüfte unterschiedslos angehupt und mit der Schlange in den Fängen vom Asphalt vertrieben.
Der unbestreitbare Höhepunkt erwartete uns jedoch an einer Baustelle zwei Stunden vor Dar es Salaam. Es handelte sich nicht etwa um ein kleines, mobiles Hindernis mit einigen wenigen Arbeitern und rudimentären Sicherheitsvorkehrungen. Selbst nach internationalen Maßstäben lag eine Großbaustelle vor uns, mit großen Schildern zur Vorankündigung, einem Geschwindigkeitstrichter, Spurumleitungen und ähnlichen richtig professionellen Verkehrsleitinstrumenten.
Michael und ich hatten uns gerade aus meinem Tagesrucksack Chips und Cola geholt und saßen Brotzeit machend zurückgelehnt in unseren Sitzen, als unser Bus hangabwärts mit Vollgas einen ersten Fähnchen winkenden Streckenposten mit orangen Leibchen passierte. Mehrere in regelmäßigen Abständen hintereinander aufgestellte Verkehrszeichen, die zu einer Verringerung der Geschwindigkeit aufforderten, wurden ignoriert. Ganz im Gegenteil wurde unsere Geschwindigkeit noch deutlich beschleunigt, schließlich ging es ja bergab und man wollte ans Ziel kommen. Die Baufahrzeuge am Straßenrand wurden immer mehr, und ich bekam erste Zweifel an dieser Fahrweise. Meinen fragenden Blick quittierte Michael, dem auch aufgefallen war, dass sich das nächste Spektakel anbahnte, mit einem erwartungsvollen Grinsen. Er genoss die nervenaufreibende Fahrt und malte sich aus, wie er, wieder zuhause bei seinen Freunden, die Details dieses Höllenritts verbal ausschmücken könnte und studierte schon die abenteuerlichsten Varianten ein.
Ich versuchte hingegen, etwaige Gefahren kleinzureden, und machte mir vor, dass unser Busfahrer hier bestimmt regelmäßig vorbei käme und deshalb die Baustelle kennen
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