Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Vorwand, wir wollten doch Land und Leute und nicht nur Flughäfen und Flugzeuge kennenlernen, zu dieser Busfahrt zu überreden. Für seine rücksichtsvolle Nachgiebigkeit, welche ich ihm schließlich durch den augenzwinkernd vorgeschobenen Hinweis, dass dies doch sicher die letzte Strapaze vor den anstehenden Badetagen am Indischen Ozean wäre, abringen konnte, wurden wir mit einer Busfahrt belohnt, welche im Nachhinein in die Annalen unserer lustigsten Reiseerlebnisse einging, die aber auch gleichzeitig bei Lukhgai bis heute die Haare zu Berge stehen lässt.
Als ich am Abend vor der geplanten Busfahrt unter Zeitnot die Tickets kaufte, achtete ich nicht darauf, welchen Sitzplatz die freundliche Matrone hinter dem Schalter der Buslinie „Dar Express“ auf unseren Fahrscheinen eintrug. Erst, als ich mit Michael in unserem Hotel beim Abendessen saß und mir die Tickets genauer ansah, fiel mir auf, dass mit Sitz Nr. 1 und 2 scheinbar die beiden vordersten Sitzplätze im Bus für uns reserviert waren. Das ließ bei mir die Alarmglocken schrillen.
Michael registrierte meine sorgenvolle Miene, konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen. Ich versuchte, ihm auf die Sprünge zu helfen: „In den Entwicklungsländern Schwarzafrikas halten sich die Verkehrsteilnehmer nicht so streng an die Verkehrsregeln wie in Europa. Weder wird der Zustand der Fahrzeuge überwacht, noch richten sie ihr Fahrverhalten nach einer bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Vorschrift aus, wie etwa der Straßenverkehrsordnung in Deutschland. Vielmehr orientiert sich alles an einer einzigen Verkehrsregel: das Recht des Stärkeren.“
Michael runzelte die Stirn.
„Geschwindigkeitsbeschränkungen werden nicht eingehalten. Bei den irrwitzigen Überholmanövern der nicht selten angetrunkenen Fahrer wird der Gegenverkehr gnadenlos ausgebremst, ein Frontalzusammenstoß oft erst in letzter Sekunde vermieden“, zitierte ich sinngemäß aus dem Reiseführer.
Ich hatte auf meinen Reisen, vor allem nach Indien und Pakistan, bereits vergleichbare Erfahrungen gemacht. Die Hilflosigkeit, unmittelbar hinter der Windschutzscheibe zu sitzen, ohne Möglichkeit auf das vor einem wie in einem Actionfilm ablaufende Verkehrsgeschehen einwirken zu können, lässt sich mit Worten nicht beschreiben. Meine letzte Hoffnung auf weniger zentrale Plätze zerschlug sich, als wir am nächsten Morgen im Bus vom Platzanweiser kompromisslos zu unseren beiden Plätzen unmittelbar hinter der großen Panoramascheibe seitlich des Fahrers bugsiert wurden.
Wir hatten uns um 05.15 Uhr am Busbahnhof eingefunden, die Abfahrt war auf 06.00 Uhr terminiert. Pünktlich um 05.30 Uhr fuhr unter lautem Hupen unser überraschend wenig ramponierter Bus vor das Terminal. Noch während der Fahrer in die Haltebucht einscherte, begannen die zerlumpten Gehilfen von Dar Express, die Ladeluken zu öffnen und erste Gepäckstücke in den Laderaum zu werfen. Unter Anfeuerungsrufen wurden die Passagiere in den Bus gedrängt. Eine Handvoll überforderter ausländischer Touristen, die sich wie wir für das Spektakel Busfahrt entschieden hatten, wurden zu ihren Sitzreihen geführt. Um 05.53 Uhr schlossen die Türen und der Bus setzte sich zu seiner voraussichtlich achtstündigen Fahrt in Bewegung.
Die vorzeitige Abfahrt war gleichzeitig das Startsignal für eine der beiden muslimischen Frauen aus der Sitzreihe unmittelbar hinter dem Fahrer und damit direkt neben uns, laut schreiend in Hysterie zu verfallen. Es entspann sich vor uns scheinbar ein Drama auf Leben und Tod. Während der Fahrer seinen Bus weiter aus dem Terminal steuerte, lieferte sich der Fahrbegleiter von Dar Express mit der in einen schwarzen Niqab gehüllten und so bis auf einen Schlitz vom Mund bis zur Stirn vollverschleierten Frau ein gebrülltes Wortgefecht.
Nach ihrer Gestik zu urteilen, - sie zeigte fortwährend mit einer Hand in Richtung der Eingangstüren -, wollte sie, dass der Bus auf einen weiteren Fahrgast wartete. Sie ließ sich weder von ihrer Begleiterin beruhigen, noch von den Schlägen des Fahrbegleiters auf die Rückenlehne des Sitzes beeindrucken.
Das Ganze zog sich über mehr als eine Viertelstunde. Der Bus hatte bereits die Stadtgrenze von Arusha passiert und schwenkte auf die Überlandstraße in Richtung Dar es Salaam ein. Während Michael und ich zwischen den Kontrahenten und untereinander hin und her schauten, fiel mir mitten in dem Trubel in dem überdimensionalen Rückspiegel mein Gesicht auf. Um ehrlich
Weitere Kostenlose Bücher