Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
geschah. Im Bewusstsein, einem grausamen Verkehrstod noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein, applaudierten sämtliche Fahrgäste eingedenk des zur Schau gestellten, herausragenden fahrerischen Könnens und lehnten sich erleichtert in ihren Sitzen zurück. Nur um nach wenigen Sekunden laut und aufgeregt aufeinander einzureden. Auch mir wurde von meinem Nebenmann auf die Schulter geklopft. Mit großen Augen und unter dem lauten Gelächter der hinter uns Sitzenden erzählte er einem Comedian gleich den Ablauf des Rettungsmanövers wieder und wieder und zog dabei auf Englisch, damit Michael und ich auch ja etwas davon verstehen konnten, jede körperliche Reaktion des Fahrers ins Lächerliche.
Eine solch unerwartete Leichtigkeit erheiterte auch mich und langsam gelang es mir, mich zu entspannen. Während sich unser Bus in Schrittgeschwindigkeit seinen Weg durch die Randbezirke Dar es Salaams bahnte, saßen wir zurückgelehnt in unseren Sitzen und konnten bereits über die abenteuerliche Fahrt mit unserem abgedrehten Busfahrer lachen. Durch die gemeinsam durchlebten Gefahrensituationen fühlten wir uns mit den anderen Passagieren zu einer Schicksalsgemeinschaft verschweißt, und wir genossen den Rest der Fahrt. Es entwickelte sich bei uns eine richtiggehende Euphorie und wir fühlten uns förmlich als ein Teil Afrikas. Wir waren uns einig: Dieser Tag wird für immer einen ganz besonderen Platz in unserem ganz persönlichen Abenteuerranking einnehmen.
So vergingen schließlich die letzten Stunden der Busfahrt wie im Flug, und wir erreichten, für uns nicht wirklich überraschend, mit nur 30 Minuten Verspätung Dar es Salaam. Dieser vier Millionen Moloch, der für Michael und mich auf unserer nächsten Etappe einige unerwartete Prüfungen bereithalten sollte. Prüfungen, bei denen es nicht nur einmal um Leben und Tod gehen würde.
05. Leben und Sterben in Dar es Salaam
Tansania, im Jahr 2010
Wir waren in Dar es Salaam. Wir waren müde und hungrig. Wir waren dreckig und stanken. Stanken nach acht Stunden selbstmörderischer Fahrt in einem überfüllten Reisebus. Stanken nach Angstschweiß und dem roten Staub der afrikanischen Pisten. Aber wir waren in Dar, wie die Einheimischen Dar es Salaam gern liebevoll nannten. Hier wollten wir uns von den Entbehrungen einer einwöchigen Camping-Safari durch die überbordende Tierfülle Ostafrikas ausruhen und für die Erkundung der geheimnisvollen Suaheli-Küste Tansanias mit ihren unberührten Meeresnationalparks und der sagenumwobenen Insel Sansibar neue Kraft schöpfen.
Wir logierten am schönsten Strand von Dar, dem paradiesischen, südlich des Stadtzentrums gelegenen Kipepeo Beach – dem Strand der Schmetterlinge. Unmittelbar an dessen weißem Sandstrand und umgeben von unzähmbarer tropischer Natur bewohnten wir einen Stelzen-Bungalow wie zu Hippie-Zeiten. Die Veranda im ersten Stock war für Michael und mich wie geschaffen. Aus unseren Hängematten heraus konnten wir über die Kronen der Kokospalmen hinweg bis zum Meer und weiter bis zum Ende der Welt blicken. Hier wurden wir jeden Morgen vom warmen Licht der aufgehenden Sonne begrüßt und hier war unser Platz zum Chillen, wenn wir nach einem erlebnisreichen Ausflug in die Straßen Dar es Salaams oder wie frisch gebraten von einem Tag am Strand zurückkehrten.
Bild 13: Glückliche Tage am Kipepeo Beach
Das Herzstück der Bungalowanlage jedoch war das Restaurant. Nicht allein seine schiere Größe – es war parallel zum Strand angelegt und reichte von einer Grundstücksgrenze zur anderen, mit Platz für mehrere Hundert Gäste – oder seine traumhaft exklusive Lage machten es zu etwas Besonderem. Vielmehr sorgten die Menschen, die sich dort trafen, sei es als hungrige und durstige Gäste internationaler Couleur oder als Bedienstete – eifrig und routiniert, bisweilen aber tragikomisch untalentiert – für das eigentliche Spektakel. Besonders abends versammelten sich regelmäßig die skurrilsten Besucher an den hölzernen Tischen längs des Strands.
Schon früh erschienen die Expats – meist im Land wohnende und arbeitende US-Amerikaner oder Europäer – mit ihren aufgedonnerten afrikanischen Ehefrauen und den süßen, milchkaffeebraunen Kindern. Später fielen einer lärmenden Horde gleich die Teilnehmer der Overlander-Touren im Dutzend ein. Sie reisten im Rahmen einer organisierten Tour auf Backpacker-Niveau quer durch Afrika und hatten ihren zu einem überdimensionalen Offroad-Bus
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