Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
konnten. Als sich unser Hunger meldete, fanden wir dieses banale Gefühl nach allem, was wir soeben gehört hatten, als unpassend und zynisch, wir empfanden unsere eigenen Bedürfnisse als richtiggehend sündig.
Doch Indien sollte uns retten. Indien und der von den Göttern gesandte indische Taxifahrer Ravi. Denn er brachte uns in sein Paradies, einen Gourmettempel der kleinen Leute, in dem wir für kleines Geld um die Wette indische Thalis, Pakoras, Tandooris und Nan-Brote schlemmten und uns die Sorgen nicht nur der kleinen Leute von der Seele reden konnten.
Der Pilaw auf unserem Tisch machte nicht den einzigen Unterschied zwischen uns und der illustren Gesellschaft nebenan. Wir wollten an unserem letzten Tag in Dar es Salaam von unserem gruseligen Aufenthalt tagszuvor im Kariakoo Abstand gewinnen und hatten es uns am Strand vor unserer Haustür gemütlich gemacht. Faulenzen war angesagt. Bereits am frühen Morgen hatten wir eine der überdachten Sitzinseln besetzt und fläzten uns jetzt in der Sonne, während wir uns nacheinander die unterschiedlichsten Leckereien aus der Küche servieren ließen. Einem ausgiebigen Frühstück folgten jeweils zwei Becher mit leckerem Eis, Vanille- und Haselnussgeschmack. Nun etwas Würziges. Schon regte sich das schlechte Gewissen. Kalorienmassaker in einem der ärmsten Länder der Welt – ging das nicht zu weit? Aber wer kennt das nicht, ein schlechtes Gewissen und damit in unserem Fall jedes Gefühl möglicher Verschwendung, wird rasch zerstreut, wenn andere es noch wilder treiben.
Die anderen waren eine Gruppe von schätzungsweise zwanzig einheimischen Männern und Frauen, jung und auffallend gut aussehend, exquisit gekleidet, selbstsicher und dominant – Gewinnertypen. Sie waren gleich nach uns am Strand eingetroffen und hatten zielsicher die mit frischen Palmwedeln überdachte Sitzinsel neben uns in Beschlag genommen. Mit ihrem großspurigen und lautstarken Auftreten zogen sie umgehend die Aufmerksamkeit der Strandbesucher auf sich und ließen keinen Raum für Zweifel. Sie wollten hier nur eines: Feiern, was das Zeug herhielt. In Windeseile verbreiteten sie eine ansteckende Partystimmung mit dem dazugehörenden „Summerfeeling“ wie aus der Bacardi-Werbung.
Publikumswirksam ließen sie sich neben den gewöhnlichen Delikatessen für jedermann und trotz der frühen Stunde Champagner und Hummer servieren. Ihre beiden Fahrzeuge – PS starke Hummer von General Motors in Rot und Schwarz – hatten sie vorher mit großem Motorenröhren und wichtigtuerischem Geschreie vor dem Haupteingang der Anlage geparkt. Gerade noch der eigenen Verschwendung ansichtig, blickten wir jetzt ein bisschen neidisch nach nebenan, wo knusprige, weibliche Modelkörper bei überlauter, afrikanischer Musik und angefeuert von athletisch gebauten Lebemännern ekstatisch um Champagnerkübel tanzten. Dort, wo auf den Tischen zwischen all den Platten, Tellern, Flaschen und Gläsern noch Platz war, hatten sie ihre Laptops aufgebaut und die neuesten Smartphone-Modelle abgelegt. Sie gehörten ohne Zweifel zur Hautevolee der hiesigen Elite, zur Crème de la Crème, den oberen Zehntausend, oder wie wir in Bayern gern sagen – den Großkopferten. Von Michael und mir, ausgestreckt auf Liegestühlen zwischen gierig ausgelöffelten Eisbechern und bis auf das letzte Reiskorn leergeputzten Tellern mit Pilaw, dem klassischen Reisgericht der armen Leute, nahmen sie selbstredend keine Notiz. Nur einmal winkte ein gerade in einem weit aufgerissenen Rachen verschwindender, feuerroter Hummerfühler zu uns herüber, so schien es zumindest ...
Den monoton wummernden Bass und die spitzen Schreie der champagnerlaunigen Schönheiten im Ohr ließen wir es uns auch ohne Wein, Weib und Gesang gut gehen. Michael und ich blickten hinaus auf das Meer und auf die in einiger Entfernung vorbei gleitenden Ozeanriesen. Wir unterhielten uns über die anstehenden Reisetage, über Reich und Arm und Gott und die Welt, als plötzlich in die Clique der Lebemenschen neben uns zuerst Unruhe und dann großes Geschrei kam. Gerade noch war es um deren Tische etwas leiser geworden, nachdem sie dazu übergegangen waren, zwar weniger Bier und Schampus zu trinken, sich dafür aber den einen oder anderen Joint mehr anzuzünden. Zuletzt ließen sie jeweils einen Joint für jede Richtung im Kreis gehen, obwohl ihnen das Weiterreichen mit ihren zittrigen Fingern bereits deutliche Mühen bereitete.
Um Michaels Interesse für Rauschgift nicht
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