Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
verheißungsvollen Ruf von Mafia Island zu folgen. Eine leidenschaftlichere Parteinahme war uns noch nie untergekommen. Jacob versprach uns großartige, ja, unvergleichliche Vater und Sohn-Erfahrungen, an diesem für ihn beeindruckendsten Fleckchen Erde seiner ganzen Reise. Und Außerordentliches, Abenteuerliches, Gewinnbringendes, Bereicherndes gab es während der vergangenen sechs Monate seiner Afrika-Durchquerung von Kapstadt nach Kairo eine ganze Menge. Jedenfalls, wenn man all seinen abendfüllenden Erzählungen schmunzelnd glauben durfte.
Michael und ich waren schon seit ein paar Tagen in der Stadt. Im Gewimmel der Märkte hatten wir unsere Lektionen erhalten. An ihren goldenen Stränden dringend Absolution gesucht und auch gefunden. Vor uns lag die Suaheli-Küste. Einsame, feinsandige Strände ohne einen Fußabdruck. Dörfer, in denen die Zeit stehengeblieben schien. Die unberührte Unterwasserwelt artenreich wie zu Anbeginn der Schöpfung, ohne Scharen von Touristen. Alles freigegeben zur Erkundung.
Es war fünf Uhr morgens und Michael und ich saßen zusammengequetscht wie die Ölsardinen in der hintersten Sitzreihe eines zum Bersten vollen Daladalas, das mit ausgeleierten Blattfedern wie ein Schiff auf hoher See über den mit Schlaglöchern übersäten Sammelplatz der Minibusse am Südrand der Stadt schwankte und schlingerte. Unser Ziel war ein staubiger Flecken im Nirgendwo: Nyamisati. Von hier legte jeden Nachmittag die Fähre zur 25 Kilometer vor der Küste liegenden Insel Mafia ab.
Das Daladala würde gut vier Stunden brauchen, hatte man uns gesagt. Michael saß schweißüberströmt neben mir und fluchte ungeduldig. Sein Hals hatte sich der Deckenwölbung über ihm bereits angepasst und ich fragte mich ernsthaft, ob er sich nach dem Aussteigen wieder gerade biegen ließe. Mir ging es nicht viel besser: Keine zehn Zentimeter vor meinem Gesicht federte der Hosenarsch meines Vordermannes auf und ab. Für ihn gab es nur einen Platz in der Hocke. An der Stelle, für die dieser Arsch teuer bezahlt hatte, wartete nur ein abgebrochenes Stück Metall. Eine andere Chance hatte er nicht: der einzige Bus, der letzte Platz. Wenigstens war die Hose für die lange Reise frisch gewaschen worden und die Geruchspartikel, die mir bei jedem Auf- und Abfedern der maroden Stoßdämpfer entgegen kamen rochen angenehm frisch nach Blümchen mit einer leicht chemischen Note – und nicht nach scharfem Schweiß und Schlimmerem, wie ich es eigentlich erwartet hätte. Das machte die ganze Sache aber nicht weniger unangenehm, und ich wünschte mir wie Michael das Ende dieser mühseligen Geduldsprobe herbei.
Dann endlich – nach etwas mehr als fünf Stunden – hatten wir unseren Ankerplatz erreicht. Von einem Hafen keine Spur. Ein Dutzend Bretterbuden mit dem Nötigsten, eine leckgeschlagene Barkasse im Schlick geköpfter Mangroven. Dazwischen ein paar Stufen aus Beton und ein Steg ins Nirgendwo. Von unserer Fähre war nichts zu sehen. Dafür wollte Ali unbedingt von uns wissen, wohin wir wollten. Das Daladala war mit einer lauten Fanfare und in Begleitung einer Horde hinterherlaufender, dreckverkrusteter Kinder gerade weitergefahren. Wir standen inmitten der Staubwolke, die vom Daladala übrig geblieben war und schauten unsicher, von wo die Löwen in die Arena gelassen würden. Da kam uns Ali gerade recht. Er war nur ein paar Jahre älter als Michael und kannte sich aus. Jedenfalls hielten wir in weniger als zehn Minuten unsere Tickets und jeder eine lauwarme Flasche Coca-Cola in den Händen.
Ali hatte in einer Kaschemme aus Sperrholz und Wellblech für uns und unsere Rucksäcke ein paar der roten Plastikstühle, wie es sie hier überall gab, gesichert und diskutierte mit der Chefin des Hauses, was es für uns zu essen geben könnte. Wir müssten entschuldigen, Touristen gäbe es hier nicht viele, meinte er, das einzige auf die Schnelle Essbare wären frisch gebackene Fladenbrote. Allerdings Fladenbrote mit nichts. Wie so oft mit nichts. Mit nichts war das, was es meist gab, wenn wir unterwegs waren. Fladenbrote mit nichts, Ölgebäck mit nichts, Reis mit nichts, Kekse mit nichts, Obst mit nichts. Manchmal, aber wirklich nur manchmal, gab es sogar knusprig gebratenes Fleisch mit nichts. Mit nichts schienen die Leute hier gern zu essen, wenn sie ihre von der Fahrt geräderten Körper auf einer der wenigen Pausen wieder einmal ausstrecken durften. Mit nichts war meistens billig, machte lange satt und war schnell zuzubereiten.
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