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Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Titel: Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Haas
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unauffälligen Jugendlichen wahrnahm, der sich von hinten an Marinas Tagesrucksack zu schaffen machte. Was folgte, ging blitzschnell. Er sah ihre nach hinten schnellenden Hände auf die zurückzuckenden Finger des Diebes treffen. Sah, wie sich die Finger für einen Moment verhakten, ehe sich die beiden – Dieb und Opfer – gegenüberstanden und in die Augen blickten. Er roch die essigsaure Peinlichkeit, die sich wie ein öliger Film über die Szene legte und den Weg freimachte für das, was kommen sollte.
    Im ersten Moment perplex und unfähig zur Flucht verharrte der übertölpelte Jugendliche für einen Augenblick. Hob beide Hände mit nach außen geöffneten Handflächen, keinesfalls aggressiv, vielmehr abwiegelnd und besänftigend. Für einen Augenblick zu lange, denn die Situation war eindeutig, nicht nur für Mark und dessen Cousine.
    Im Nachhinein konnte Mark nicht mehr sagen, wie lange dieser Moment des Ertapptwerdens gedauert hatte, sicher nur Sekunden. Obwohl es in seiner Erinnerung ohne lautes Geschrei ablief und der jugendliche Dieb nach einigen hastig hervorgestoßenen Entschuldigungen sofort das Weite suchen wollte, hatte sich die Menge um den Ort des Geschehens schon so weit geschlossen, dass kein Durchkommen mehr für ihn möglich war. Mir wurde es eiskalt, als Mark das alles erzählte und sich dabei selbst immer mehr hinein steigerte. Michael stand mit aufgestellten Härchen an den Armen neben mir und gab keinen Mucks mehr von sich. Marks starrer Blick richtete sich auf einen Punkt im Nirgendwo, als er erzählte, wie er und seine Cousine, versteinert und sich einander an den Händen haltend, wie erschrockene kleine Kinder, dabei hatten zusehen müssen, wie die sich zusammenscharrenden Marktweiber in immer lauteres Gezeter verfielen. Wie die fliegenden Händler ihre Schalen voll Kekse und Bonbons absetzten. Sich die Lastenträger und die Herumsteher und all die anderen sonst eher lethargischen Tunichtgute zusammenrotteten und den Kreis um den immer ängstlicher um sich blickenden Jugendlichen enger und enger werden ließen.
    Es gab keine Möglichkeit mehr für Erklärungen. Niemand hörte auf Marinas beschwichtigende Schreie, keiner achtete auf die Panik in ihrem Gesicht. Ihre wahnsinnige Angst, für das, was kommen sollte, verantwortlich zu sein. Der Pöbel hatte sein Urteil bereits gesprochen.
    Zuerst erhoben sich die Stimmen des Mobs, steigerten sich in eine immer größere Hysterie, bis nur mehr ein einziger, an seinen Enden ausfransender, unmenschlicher Schrei zu hören war. Auf dessen Höhepunkt sich die Tore zur Hölle öffneten und die ersten Engel der Finsternis ihre Arme nach dem Verurteilten ausstreckten. Bis sich Vereinzelte hervortaten und anfingen, dem zwischen den schwarzen, verschwitzten Leibern in die Enge Getriebenen zuerst hin und her zu stoßen und ihm schließlich als logische Folge der schnell ausufernden Aggressivität und sich immer mehr aufheizenden Gewaltbereitschaft leichte Schläge mit der flachen Hand auf den Kopf zu geben. Gewarnt durch die wahnhaft hervortretenden Augen und den panisch verzerrten Gesichtszügen des Jugendlichen, konnte sich Marks Cousine infolge einer wahnwitzigen Umkehrung der Beziehungen – der Täter wurde zum Opfer, das frühere Opfer zum vom Schicksal auserkorenen Retter des vorhergehenden Täters – nicht zurückhalten und versuchte verzweifelt, sich zwischen den Mob und dessen Opfer zu werfen.
    Während Mark uns gegenüber den Ablauf der Geschehnisse erzählte, geriet er immer mehr in Rage. Sein Gesicht rötete sich und er begann zu geifern. Spucke spritzte aus seinem zur Fratze verzerrten Mund. Es schien, als erlebte er die traumatischen Ereignisse ein weiteres Mal. Besonders seine eigene Tatenlosigkeit setzte ihm dabei hart zu. Die Hilflosigkeit, dabei zusehen zu müssen, wie ein Mensch vor den eigenen Augen misshandelt, sogar getötet wird.
    Wir standen immer noch an der gleichen Stelle, an der wir Mark nur wenige Minuten vorher angesprochen hatten, unsere Körper eng beieinander, inmitten des Marktgeschehens, dessen Schreie und Gerüche zwar dumpf zu uns durchdrangen, die die von Marks detailgenauer Erzählung vor Augen gerufenen Bilder jedoch nicht vertreiben konnten. Wie gebannt folgten wir seiner unglaublichen Schilderung, die entgegen unseren Hoffnungen kein gutes Ende fand.
    Ohne dem Jugendlichen noch einmal nahe kommen zu können, wurde Marks Cousine von der Menge abgedrängt. Beide mussten aus sicherer Entfernung zusehen, wie der

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