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Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Titel: Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Haas
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vor unserem Empfangskomitee standen. Besoffen war hier jedenfalls niemand. Auch wenn ich Michael das fürs Erste einmal so weismachte.
    Ali, einer der beiden Junggesellen, die das Blue House betrieben, führte uns durch das Etablissement. Eigentlich handelte es sich dabei nur um einen einzigen Raum. Nachträglich eingezogene Zwischenwände, nur ein paar Zentimeter im Durchmesser und bis zu einem halben Meter unter die Decke reichend, teilten eine kleine Küche und drei winzige Gästezimmer von einer Ecke mit Tischen und Stühlen ab. Eines dieser Zimmer war von den Terrassen-Schelmen belegt, in die beiden anderen zogen Ivy, Michael und ich. Neben der Küche, in der es vor Rattenkötteln nur so klebte, war das Badezimmer mit der einzigen Toilette das wahre Highlight. Als Abort nur ein winziges Loch im Zementboden, direkt daneben ein in Kopfhöhe installiertes, bleistiftdünnes Röhrchen, das dem demütig in der Hocke kauernden Gast gestattete, sich unter einem Rinnsal braunen Brackwassers zu reinigen. Von Duschen im herkömmlichen, zivilisatorischen Wortsinn war nicht zu sprechen. Sich zu bücken, schien aber nicht überall empfehlenswert. Tunlichst vermeiden sollte man es, solange man für das Badezimmer anstand. Es sei denn, man war damit einverstanden, ohne zu schaudern unter den kniehohen Vorhang, der hier die Toilettentür darstellte, zu blicken und mehr frei- als unfreiwillig Zeuge intimster Sitzungen zu werden. Aber auch ohne Blickkontakt brauchte niemand zu befürchten, es bliebe ihm etwas verborgen. Die nach oben weit offenen Wände sorgten dafür, dass auch der leiseste Pups bis in den allerhintersten Winkel des Blue House zuverlässig zu hören und olfaktorisch einzuordnen war.
    Michael und ich mussten gehörig zusammenrücken, wollten wir in unserem Zimmer auf der gerade einmal einen Meter zwanzig breiten, ranzigen Nussmatratze nebeneinander Platz finden. Eine andere Alternative gab es nicht. Zum Schutz vor ausgehungerten Bettwanzen und Tranchierbesteck und Saugrohr wetzenden Flöhen, breiteten wir unsere Schlafsäcke aus. Über unseren Köpfen hatten wir das Moskitonetz des Blue House, das, so durchlöchert wie es war, nicht einmal mehr Insekten von der Größe eines Flugsauriers abgehalten hätte, durch unser eigenes ersetzt. Für ein Abendessen war es bereits zu spät. Aufs Geratewohl und ohne Vorbestellung etwas finden zu wollen, war aussichtslos. Das behauptete jedenfalls Ali, der uns dafür seine letzte Packung mit staubtrockenen Keksen vertickte.
    Nachdem sich die drei Kiffer auf der Terrasse, dem zweifellos einladendsten Plätzchen im blauen Haus, totgelacht hatten, nahmen wir dort ihre Plätze ein. Unsere Session fiel weit spartanischer aus. Eine Flasche mit pisswarmer Cola und Alis Kekse aus Ivys aufgehaltener Hand war alles, was wir hatten. Einen Tisch gab es nicht. Aber es war auch so unvergleichlich schön. Das Rauschen des nahen Meeres vermischte sich mit den leisen Geräuschen des schlafenden Dorfes. Hie und da bellte ein Hund, dazwischen ein heiseres Kinderlachen, mehr gab das nächtliche Leben nicht her. Ich saß neben Michael und blickte in die Dunkelheit. Michael ging es gut. Die magische Stimmung der tropischen Nacht übertrug sich auch auf ihn. Ließ den bohrenden Hunger, wenn schon nicht verschwinden, dann doch so gut es eben ging vergessen. Gemeinsam lauschten wir Ivys Geschichten aus aller Welt.
    Ivy war Lehrerin. Das hieß, sie durfte mehr Urlaub nehmen als jeder andere hart arbeitende Mensch auf der ganzen weiten Welt. Als wäre das nicht schon genug, hatte sie sich, sobald es nur irgend ging, den Berufseinstieg mit einem Sabbat-Jahr versüßt. Ihre Devise, keine Ferien ohne Reise, zog sie erbarmungslos durch. Natürlich immer mit dem Rucksack. Wirklich natürlich? Wenn man sie so sah, konnte man sie sich auch sehr gut in einem dunklen Hosenanzug von Bogner in der Lobby irgendeines Designhotels vorstellen. Aber in Ivys Herzen lebte ein Hippie. Sie war lange und oft in Indien gewesen, ihre große Zeit aber hatte sie in Indonesien gehabt, hatte die Gili Inseln vor Lombok erobert, als noch kein Hochbetrieb herrschte und Pioniergeist anstelle von Kreditkartenlimit gefragt war. Michael fand Ivy super, hing an ihren Lippen und konnte einfach nicht fassen, dass es Lehrerinnen gab, die so cool waren. Keinen einzigen seiner eigenen Lehrkräfte würde er einen solchen Rucksacktrip zutrauen, wie Ivy sie ein paar Mal im Jahr durchzog, sagte er zu ihr – und machte dabei ein Gesicht, als

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