Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
spräche er zum Leibhaftigen.
Tagsüber gingen wir unserer eigenen Wege. Ivy liebte das Tauchen, verbrachte ihre Zeit mit Mantarochen, Buckelwalen und dem Zauber der Korallenriffe. Michael und ich hielten uns an Mohammed. Ihn zu finden, war ein Leichtes. Es waren nicht seine verfilzten Dreadlocks oder sein blendend weißes Strahlemann-Lächeln, das uns ihn erkennen ließ. Nein. Es war der Tarzan in ihm. Mohammeds Body glich dem eines Zehnkämpfers. Gestählt durch unendlich viele, unendlich harte Tage auf See. An Bord seiner Dau, kaum größer als ein Sarg – motorlos, erbarmungslos, mit zerrissenem und nur mühsam geflicktem Segel, archaisch, wie zu Anbeginn der Seefahrerzeit. Mit ihm stachen wir jeden Morgen in See. Im Gepäck Taucherbrille und Schnorchel, als Essen zwischendurch Mohammeds ultimatives Seenotrettungspaket: eine Tüte voll überreifer Orangen. Sein Survival-Kit: Eine Handvoll Angelhaken mit ein paar Metern Perlonschnur. Dazu frische, sich noch windende Würmer aus der warmen Erde gleich hinter seiner palmgedeckten Lehmhütte.
Bild 16: Dorfschönheiten auf Mafia Island neben dem Blue House
Wir erlebten vollendete Tage. Das breite Lächeln Mohammeds im Nacken segelten wir entlang der Mangrovenküste, ehe unsere Dau Kurs hinaus auf die offene See nahm. Genau die richtige Zeit für ein Nickerchen, bevor wir eine der vielen steil aus dem Ozean ragenden Felsnadeln erreichten und Mohammed uns weckte. Wenn ich mich noch streckte und etwas länger brauchte, um alle Lichter wieder anzuschalten, war Michael schon von Bord gegangen und abgetaucht in den Irrgarten aus Riffgestein, lebenden Korallen und Schwärmen abertausender bunter Fische, der unter dem Bauch unseres Bootes auf uns wartete. Es war herrlich, vom Trockenen aus zuzusehen, wie sein schlanker, brauner Körper unter der spiegelglatten Wasseroberfläche dahinglitt, bevor er, eine Perlenkette ausgestoßener Sauerstoffbläschen hinter sich herziehend, jede halbe Minute auftauchte und nach Luft schnappte. Auch ich brachte es nicht fertig, wieder zurück zum Festland zu fahren, ohne einmal unter Wasser nach dem Rechten gesehen zu haben. So faszinierend, so unwiderstehlich anziehend, wie ein himmelgroßer Magnet, war die Welt dort unten auch für mich.
Wenn uns die Puste ausging, steuerte Mohammed eine der unzähligen einsamen Sandbänke an, wo Michael und ich uns erschöpft und ausgekühlt im warmen Sand aalten, während der verräterische Geruch von frischem, über dem offenen Feuer gebratenem Fisch einen für uns noch unbekannten und doch heiß ersehnten Leckerbissen der Suaheli-Küche ankündigte.
Im Schatten von Mohammeds breitem Kreuz und randvoll mit den Bildern des Tages kehrten wir jeden Abend glücklich und zufrieden mit den letzten warmen Strahlen der untergehenden Sonne an den Strand vor unserem Blue House zurück. Unserem nussig-schmuddeligen Blue House mit seiner mehr als einladenden Terrasse und den unvergesslichen Geschichten, die es dort, weit entfernt von der Zivilisation, wie Michael und ich sie kannten, für uns gab.
Wenn Michael und ich kamen, war Ivy immer schon da. Mit nassen Haaren, im Mundwinkel lässig eine ihrer selbst gedrehten Zigaretten, fanden wir sie meist ausgestreckt über zwei zusammengeschobene Stühle. Und sie wusste genau, was Michael und ich hören wollten: „Noch eine halbe Stunde“, rief sie uns manchmal entgegen, wenn es schnell gehen musste. Oder: „Heute haben sie verpennt. Vor acht wird’s nichts!“, wenn wir uns zum Duschen länger Zeit lassen konnten, weil Ali und Kompagnon es wieder einmal versäumt hatten, das bereits morgens auf ihre Empfehlung hin bestellte Essen zuzubereiten. Denn bei unserer allabendlichen Rückkehr drehte sich alles nur um die Nahrungsaufnahme. Ums primitive Sattwerden. Ausgehungert wie zwei Löwen, oder besser, wie zwei Löwen und eine Löwin, konnten Michael, Ivy und ich es kaum erwarten, uns auf die feinen Curries und den knusprig gebratenen Fisch aus der Küche des Blue House zu stürzen. Alternativen gab es kaum. Am anderen Ende der Preisskala wartete ein paar hundert Meter strandaufwärts die Gourmetküche eines Fünfsternebunkers auf betuchtere Gäste, als wir sie waren. Und eine Kaschemme am Strand mit vernagelten Fensterläden servierte, wenn man es wollte und es am Abend vorher bereits wusste, gegrillten Fisch und – ja, was sonst – Reis. Mit oder ohne Gemüse. Vorbestellung hieß der Schlüssel zum kulinarischen Glück. Spontan ging der
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