Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Auf zerschlissenen Pappdeckeln wartete ein unglaubliches Warenangebot auf seine Käufer. Von ausgelatschten Schuhen bis hin zu fauligem Obst, mehr schlecht als recht wieder zurechtgebogenen Sonnenbrillen und in schwarzem Öl frittierten Kochbananen gab es alles, was einen gut sortierten Second-Hand-Markt ausmachte. Und hier versteckte sich also auch der Zweitmarkt für nicht benutzte Gorilla-Permits.
Als hätte er nur auf uns gewartet, schälte sich ein picobello gestylter Jugendlicher aus der Menge, nickte jedem Einzelnen wortlos zu und dirigierte unser Trio zwischen ein paar Schutthaufen mit abgeblättertem Putz. Ohne viel Aufhebens zu machen, zog er ein Kuvert aus seinem Tagesrucksack und holte daraus die beiden auf unsere Namen ausgestellten Permits und ein Formular mit mehr Hoheitsabzeichen und Stempeln als auf der Unabhängigkeitserklärung hervor. Mit einem absichernden Rundumblick übergab er alles an John, der von mir wollte, dass ich das Formular in unser beider Namen unterschrieb und ihm die Dollars gebe. Nach der Geldübergabe steckten John und unser Dealer die Köpfe zusammen und zählten zweimal nach. Ich sah mir derweil die Permits an. Sie sahen gut aus, wirklich professionell. Aber ob sie tatsächlich amtliche Permits für einen Gorilla-Besuch waren, hätte ich beileibe niemals sagen können. Wenigstens fielen meinem misstrauischen Blick keine Tonerteilchen ins Auge. Kopien waren es also nicht. Nach ein paar Minuten war der Deal gelaufen, ich konnte es kaum glauben. Wenn sie uns linken wollten, dann sollte es eben so sein. Va banque – wir mussten den beiden vertrauen.
Mit dem Vertrauen war es immer so eine Sache. Jemandem zu trauen, hieß nicht selten, sich ihm auszuliefern. Sich aber auf Gedeih und Verderb in die Hände eines Fremden zu begeben, ist nicht jedermanns Ding. Dem Reisebüro um die Ecke sein sauer verdientes Geld in die Hand zu drücken und zu sagen: Mach mal, drei Wochen mit Sonnengarantie an den Strand, in ein sauberes Hotel mit Bespaßung und so viel zu essen und zu trinken, dass man sich, wenn man möchte, den Magen hoch bis zur Speiseröhre voll schlichten kann, ist genau nach dem Geschmack des durchschnittlichen Deutschen. Für den Fall, dass etwas nicht passt, am Büffet die Scampi ausgehen oder der Abflussdeckel im Pool angeschimmelt ist, geht’s vor den Kadi. Rechtschutzversicherung und das Rundum-sorglos-Paket zur absolut garantierten Vollversicherung gegen jedwede Unwägbarkeit, Überraschung oder auch nur den minimalen Ansatz von – ich wage es kaum auszusprechen – Abenteuer, machen es möglich, sich von vornherein gegen alles und jeden so gut es nur geht zu wappnen.
Einem Einheimischen mehr als für die Fahrt mit dem Hotellift zu vertrauen, übersteigt die Grenzen des Vorstellbaren. Dieser Mangel an Vertrauen, sich in die Hände eines völlig Fremden zu begeben, ist einer der Gründe, warum ich in meinem Freundes- und Kollegenkreis jedes Mal verständnislose Blicke ernte und mit Kommentaren bedacht werde, als ob ich mit den Navy Seals zur Liquidierung Osama Bin Ladens aufbräche, anstatt für drei Wochen in die Nationalparks Ostafrikas.
Es mag ja durchaus vorkommen, dass arglos Reisende in eine finstere Sackgasse gekarrt und vom vorher ach so vertrauensvoll lächelnden Taxifahrer, Tourguide oder wem auch immer ausgenommen werden wie eine Weihnachtsgans. Wahrscheinlich ist es jedoch nicht. Damit wären wir bei dem nächsten Dilemma: Was alles passieren kann.
„Nur du allein mit Michael? Was machst du denn, wenn etwas passiert?“, fragen mich jedes Jahr viele meiner sich um uns sorgenden Mitmenschen.
„Was soll denn passieren?“ gebe ich jedes Mal genauso standardisiert zurück.
„Ja, ich weiß doch auch nicht, das musst doch du wissen, du fährst doch!“ schallt es mir ein aufs andere Mal zurück.
Dass ich es auch nicht weiß, obwohl oder gerade, weil ich derjenige bin, der fährt, hören diese Apokalyptiker nicht gern. Natürlich kann immer etwas passieren, es soll gefälligst auch etwas passieren. Sonst wäre es ja verlorene Lebenszeit, drei Wochen durch die weite Welt zu reisen, wenn nichts passiert. Ich mag gar nicht weiterdenken.
Schlimme und wirklich schlimmste Sachen können jedem widerfahren, zu Hause ebenso wie unterwegs. Aber wie wahrscheinlich ist es, wie hoch ist das Risiko, zu verunglücken, überfallen zu werden, im Nirgendwo zu stranden (interessante Vorstellung) oder krank zu werden? Die Wahrscheinlichkeit, auf meiner Terrasse auf
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