Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Bett gegangen waren, hatte Michael mir noch Löcher in den Bauch gefragt und sich mit viel Fantasie die abstrusesten Abenteuergeschichten über unsere geplante Flucht im Morgengrauen ausgedacht. Seine Varianten reichten von Schusswechseln mit Straßenräubern bis hin zu einer Rückreise ohne Hemd und Hose, weil wir über keine adäquate Bewaffnung für eine erfolgversprechende Verteidigung verfügten.
Es wurde weit unspektakulärer als befürchtet. Im Gänsemarsch und ohne die Taschenlampe ein einziges Mal anzuknipsen, wackelten wir im Schutz der Dunkelheit hinter Ali drein. Durchquerten einen Palmenhain, in dem wir auf Nummer sicher gingen und einen alten Dorfköter mit ein paar präventiven Steinwürfen vom Alarmschlagen, aber nicht vom jämmerlich Jaulen abhielten, bevor Ali mit seiner Lampe – nur dazu schien sie wohl gedacht – einem am Straßenrand wartenden Motorrikscha-Fahrer Zeichen gab. Das war es, mehr passierte nicht. Keine Räuberbanden, die auf uns das Feuer eröffneten. Nicht einmal ein Schlagbaum. Dafür waren wir die ersten in der Reihe, die am Fähranleger auf Julia warteten, unser schaukelndes, altes Mädchen.
07. Die Umubano Gruppe
Ruanda, im Jahr 2011
Ich bemerkte die beiden Berggorillas erst, als sie nur noch drei Meter von uns entfernt im dichten Buschwerk kauerten und grunzend frisch abgerupfte Blätter zwischen ihre spitzen Zähne steckten. Schon jetzt hatte ich also den vorgeschriebenen Mindestabstand von sieben Metern unterschritten. Gottlob konnte ich mich gerade noch so weit in der Gewalt halten, bei all der Aufregung den beiden Menschenaffen nicht auch noch in die Augen zu stieren. Aber selbst wenn, als erstes Opfer eines Gorillaangriffs war zweifelsohne Hans prädestiniert, der weit vornübergebeugt einen Meter vor meinen Füßen kauerte und den bis dato friedliebenden Tieren mit dem Fotoapparat ins Gesicht blitzte. Auch wieder verbotenerweise.
Bild 19: Die beiden Berggorillas in Hans‘ Blitzlichtgewitter
„Hans“, flüsterte ich, so leise ich konnte, „Hans, schalt deinen Blitz aus. Nicht, dass sie sauer werden.“ Es war nicht reine Philanthropie, die mich um Hans‘ Wohlbefinden Sorge tragen ließ. Michael und ich hatten die 45-minütige Fahrt vom Park-Hauptquartier in Kinigi bis zum Ausgangspunkt des Gorilla-Trackings unmittelbar am Fuße des Visoke-Vulkans als Tramper in seinem Toyota Range Rover zurückgelegt und wollten das auch auf dem Weg zurück so halten – falls Hans nicht Opfer geblendeter Gorillas würde, die seinem ungebetenen Annäherungsversuch rasch ein abruptes Ende setzen könnten.
Damit es so weit nicht kam, hatten wir Alan und Gunman bei uns. Die beiden Ranger kannten die verschlungenen Pfade zu den Gorillas im Nebel und waren auch dafür verantwortlich, dass bei dem Zusammentreffen keiner dem anderen ein Auge ausschlug. Was man nicht vollständig ausschließen konnte. Schließlich war jeder mindestens um die halbe Welt geflogen, hatte ein paar Tausend Dollar Einsatz auf den Tisch geworfen - die 500 für das streng limitierte Permit, ohne das ein Besuch bei den Gorillas getrost abgeschrieben werden konnte, eingeschlossen - und stand nun am Ende eines stundenlangen, schweißtreibenden Marsches mit vom Dorngestrüpp zerrupfter Frisur und einem halben Dutzend zwickender Kletten im Schritt endlich den letzten ihrer Art gegenüber.
Michael und ich wären beinahe schon in der Vorrunde ausgeschieden. Beim großen Run auf die Permits hatten wir eine Abfuhr nach der anderen kassiert. Immer mit der gleichen Begründung: Michael sei mit seinen gerade mal 13 Jahren zu jung. Mindestalter 15 Jahre. Punkt und Ende der Diskussion. Auch kein noch so exklusiver Reiseveranstalter, weder zu Hause in Deutschland noch einer aus der großen, weiten Web-Welt konnte uns helfen. Um es ehrlich zu sagen, es gab Tage, da waren wir verzweifelt. Aber was wäre eine Reise in das pochende Herz Afrikas, in seine dampfenden Eingeweide – Nebelwälder, Hochmoore, Vulkanseen – ohne bei den Hauptdarstellern des großen Schauspiels vorbei zu schauen? Was also sollten wir tun? Ja klar, wir mussten bescheißen!
Mit nichts als unserer Verve und einem Flugticket in den Händen wollten wir Ruanda erobern. Mit Ethiopian Airlines ging es nach Kigali, wo wir mit zusammengekniffenen Augen und schweißnassen Hemden auf dem Flughafen nach einem Taxi zu unserem Hotel aus Reihe drei im Reiseführer, den Low-Budget-Unterkünften, suchten.
Das „Step Town Motel“ war ein
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