Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Jedenfalls, wenn man Schmollis Ausführungen glauben durfte. Und sie hatte Schmolli auf dem Kieker, wegen seiner abgefahrenen Reifen, für die zwar der Vermieter des Taxis die Verantwortung zu tragen hatte, sie aber nicht tragen wollte. Und wegen der seit Langem ausstehenden Bezahlung einer ganzen Flut von Verwarnungsgeldern alias quittungslosen Spendengeldern, natürlich zugunsten von Frau Polizeioffizierin Kayihura. Und, jetzt kommt es, Frau Polizeioffizierin Kayihura stand genau in diesem Augenblick breitbeinig und flankiert von ihrer Motorradeskorte mitten auf der Piste, als schien sie ausgerechnet auf ihn zu warten. Ob wir sie denn nicht gesehen hätten?
Hatten wir nicht. Weder Michael noch ich. Am liebsten hätten wir Schmolli in Grund und Boden gestampft. Wegen ein paar abgefahrener Reifen durchlebten wir beinahe ein Nahtoderlebnis. Wir fanden das alles ganz und gar nicht lustig und wollten nur mehr schleunigst in unsere Lodge, koste es, was es wolle. Selbst wenn sämtliche Strafzettel Schmollis der letzten hundert Jahre vorher zu bezahlen wären. Dafür sehnten wir uns umso mehr nach einem ruhigen Plätzchen und etwas Leckerem zu essen. Und ganz besonders viel Zeit, um die traumatischen Ereignisse aufzuarbeiten. Immerhin konnte Michael schon wieder darüber lachen. Er schien wirklich trotz seiner jungen Jahre mit einem Bärengemüt ausgestattet, stressresistent und – Gott sei es gedankt – überdimensional belastbar.
Nach dieser unfreiwilligen, irrwitzigen Zigarettenpause schaffte es Schmolli tatsächlich, uns vor Chimps‘ Nest abzusetzen, ohne Frau Kayihura noch einmal vor den Strafzettelblock zu geraten. Nachdem wir ihm die vereinbarten 40.000 Schilling ausgehändigt hatten, meinte Schmolli zögerlich und mit perfekt aufgesetzter Rüdenmimik, weitere 10.000 Schilling draufzulegen, wäre eine ehrwürdige Sache. Schließlich hätte der Fahrpreis von Anfang an mindestens so viel betragen, wenn nicht noch mehr. „Eigentlich sollten wir ihn seiner innig geliebten Polizeioffizierin aushändigen. Gefesselt und geknebelt und mit bis zur Unkenntlichkeit verdroschener Visage“, meinte ich zu Michael, der wie zur Bestätigung ein paar Mal seine rechte Faust in die offene linke Handfläche klatschen ließ und zum Spaß sein bösestes Gesicht aufsetzte. Nur um dann Schmolli noch zehn weitere 1.000 Schilling Scheine in die aufgehaltene Hand zu zählen.
Chimps‘ Nest erwartete seine beiden verlorenen Söhne mit offenen Armen. Von den beiden Jungs, die unsere Rucksäcke vor uns hertrugen, wurden wir zur sonnigen Terrasse des Gartenrestaurants gleich gegenüber der Rezeption dirigiert, wo uns eine junge, sympathische Angestellte begrüßte, deren ebenholzfarbene Haut im warmen Licht des neuen Tages einnehmend glänzte.
„Ganz genauso hatte ich mir das vorgestellt, Michael“, hörte ich mich murmeln, während meine schmutzigen Finger wie ferngesteuert nach einem Glas eisgekühlten Maracujasaft aus den grazilen Händen der Ebenholzfarbenen grapschten. Der schnelle Umschwung von einem dunklen, gefahrvollen Regenwald hin zu der sonnenüberfluteten Terrasse, von Schmollis lebensmüder Physiognomie zu dieser strahlenden Maske afrikanischer Schönheit war mir beinahe etwas viel. Michael wusste nicht, wovon ich sprach. Er blätterte bereits mit hungrigen Augen durch die Speisekarte und wollte von mir wissen, ob ich Kaffee oder Cappuccino wollte.
Bild 27: Ist hier noch ein Platz für mich frei?
Bei Toast und Marmelade warteten wir, bis unser Stelzenbungalow vom Schmutz der Vorgänger befreit worden war, und überlegten, welche Affenhorden wir als Nächstes aufs Korn nehmen wollten. Zuallererst aber bekamen wir von Best, unserer freundlichen Rezeptionistin, erklärt, wie hier was wie lief. Es war wie eine Offenbarung. Wir konnten quasi von Glück sprechen, uns für einen der billigen und zu Fuß leicht zu erreichenden Standard-Bungalows entschieden zu haben. Die exklusiven Baumhäuser waren hingegen so dicht von Regenwald umgeben, dass es für die Bewohner häufig zu gefahrvoll war, ohne einen Führer von der Rezeption zum Bungalow und wieder zurückzugelangen. Darüber hinaus warnte sie uns, aus Sicherheitsgründen von selbstständigen Ausflügen ohne ortskundige Begleitung dringend Abstand zu nehmen. Der Grund und Boden der Regenwaldlodge ging ohne bauliche Begrenzung in den Kibale Forest mit all seinen Wildtieren über, und, wie Best betonte, diese würden oft genug die imaginäre Grenze überschreiten
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