Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
zurück, als mühte er sich verbissen durch einen diesigen Nebel, der einmal sein Gedächtnis gewesen war. Zum Glück rollte unser Subaru aus den Zeiten der Unabhängigkeitskriege spursicher auf Autopilot. Aber was zur Hölle trieb er mit den Händen? Irgendetwas zählte oder rechnete er an seinen Fingern ab. Hatte er alle zehn durch, schüttelte er den Kopf und murmelte leise vor sich hin. Das wiederholte sich ein paar Mal, bis wir uns denken konnten, woran es wohl lag: Schmolli hatte sich bei seiner Preisgestaltung verkalkuliert.
„Gibt’s ein Problem?“, versuchte ich, vorsichtig die Lage zu peilen, während das Taxi immer langsamer fuhr. Schmolli verneinte. Und zählte von vorne los. Freihändig, die Knie am Lenkrad. Scheinbar war es wirklich wichtig. Vielleicht hatte er ja nur den Geburtstag seiner Ehefrau, Mutter oder, noch schlimmer, einer seiner Geliebten vergessen und der Zinnober hatte gar nichts mit uns zu tun. Gerade, als Michael anfangen wollte, von etwas anderem zu reden, platzte es aus Schmolli heraus. Das vermaledeite Benzin war schuld. Es wurde immer teurer, bis nach Abzug der Fahrzeugmiete am Ende gar nichts mehr übrig blieb. Im Gegenteil, draufzahlen musste er, und das nicht wenig.
Zerknittert wie ein Chinesischer Faltenhund sah er uns aus herabhängenden Augenlidern und mit schräg gelegtem Kopf mitleidheischend an, als trüge er wie einst Jesus Christus das Kreuz der Welt auf seinen Schultern. Er war eine geschundene Seele. Ein Opfer. Zweifelsohne derjenige, der als kleiner Junge auf dem Pausenhof die ehrabschneidenden Ohrfeigen der anderen Jungs vor den Augen aller Mitschüler eingesammelt hatte und gezwungen worden war, sein Pausenbrot an die anderen zu verteilen.
„Papa, ich glaube, wir müssen etwas machen. So etwas haben wir doch noch nie erlebt. Ich denke nicht, dass es nur eine Masche von ihm ist.“ Michael hatte er also schon auf seiner Seite. Wahrscheinlich war es tatsächlich mehr als nur Theater. Zumindest wäre es das erste Mal, dass ein Taxifahrer mit der Mitleidsmasche sein Salär bei uns aufzubessern versucht hätte.
„Michael, ich denke auch nicht, dass er alles nur spielt. Vielleicht hat er sich ja wirklich verkalkuliert und geht jetzt fest davon aus, dass kein Fahrgast der Welt bereit wäre, den vom Fahrer vorgegebenen Fahrpreis im Nachhinein freiwillig aufzustocken.“ Mittlerweile fuhren wir kaum mehr als 25 km/h, wahrscheinlich wollte Schmolli Benzin sparen.
„Aber wenn wir uns auf das Thema einlassen“, fuhr ich fort, „werden wir nicht umhin kommen, ihm ein paar Schillinge mehr zu geben. Was meinst du, Michael?“
Michael überlegte lange. Er hatte sein Misstrauen von mir geerbt. Auf Reisen ein überlebensnotwendiger Instinkt. Und die Erfahrung hatte uns auch gelehrt, dass unser Gegenüber in der Regel gewieft genug war, um sich nicht zu verkalkulieren und nachträgliche Preisverhandlungen mit 99-prozentiger Sicherheit nichts anderes als Abzocke waren.
„Ich weiß auch nicht, warum es bei Schmolli anders sein sollte als sonst. Aber mein Bauchgefühl sagt mir: Der lügt nicht. Komm, Papa, ist doch egal. Wenn er nicht völlig unverschämt wird, geben wir ihm, so viel er will. Es geht doch nur um ein paar Euro. Und wenn alles nur Show war, dann hat er sich sein Geld redlich verdient. Besser, als mitten im Regenwald einen riesigen Streit vom Zaun zu brechen, ist es doch allemal.“ Klasse Plädoyer, Michael, dachte ich bei mir. Aber er hatte recht. Vor unserer Abreise aus Deutschland war in den Nachrichten zu verfolgen gewesen, mit welcher Empörung die Bürger nicht nur in Uganda, sondern in vielen Ländern Afrikas auf die Preiserhöhungen beim Treibstoff und dadurch indirekt auch bei den Lebensmitteln und den meisten Importartikeln reagiert hatten. Jetzt bekamen wir es am eigenen Leib zu spüren.
Langsam tastete ich mich gegenüber Schmolli an das Thema heran: „Wird der Kraftstoff hier in Uganda auch immer teurer? Bei uns in Deutschland verlangen die Konzerne unverschämt hohe Preise.“
Schmolli sah einen hellen Streifen der Hoffnung am Horizont seines finanziellen Untergangs. „Es ist die Hölle. Vor Kurzem senkte die Regierung die Subventionen für Lebensmittel und Treibstoff, dadurch ist alles fast 50 Prozent teurer geworden. Es bleibt einem nichts mehr übrig. Selbst die Leute mit guten Jobs sind der Verzweiflung nahe. Und wenn wie vor ein paar Monaten die Menschen auf die Straße gehen, um für eine Verbesserung ihrer Situation zu demonstrieren,
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