Afrika, Meine Passion
erfahren. Mir ist allerdings bewusst, dass dies ohne konkreten Anhaltspunkt sehr schwer, wenn nicht unmöglich sein wird.
Priscilla ist eine Massai-Frau. Mit ihr habe ich einige Monate zusammengelebt, als ich nach Kenia ausgewandert bin und Lketinga nicht, wie verabredet, vorgefunden habe. Sie half mir über diese schwere Zeit hinweg. Gemeinsam mit ihr konnte ich in ihrem bescheidenen Rundhäuschen wohnen, das etwas entfernt von Diani Beach im Busch stand. Sie half mir, das nötige Wasser aus dem Ziehbrunnen nach Hause zu schleppen. Auch sonst unterstützte sie mich, wo sie konnte. Sie nahm mich sogar auf eine lange Reise zu ihrer Familie im Hochland von Narok mit. Dieses Erlebnis vergesse ich nie! Nachts war es so kalt wie bei uns im Herbst in den Schweizer Bergen. Nebel und Reif lagen morgens auf Bäumen und Feldern. Zum Schlafen zog ich alles an, was ich bei mir hatte, und fror dennoch in der einfachen Behausung erbärmlich. Außerdem zwickten irgendwelche kleinen Tiere, Flöhe oder Sonstiges, und krabbelten über meinen Körper. An Schlaf war während dieser Woche kaum zu denken, und nach der sehnlichst erwarteten Rückkehr nach Mombasa hatte ich auch noch Läuse.
Aber Priscilla war meine beste afrikanische Freundin und ich war stolz, dass sie mich zu sich nach Hause mitgenommen hatte, wo ihre alte Mutter ihre vier Kinder versorgte, während sie in Mombasa Geld verdiente. Ihre Familie hatte noch niemals »weißen« Besuch und demzufolge wurde ich mit Massai-Schmuck überhäuft und mit frisch geschlachtetem Ziegenfleisch verwöhnt
Auch Jahre später, als Lketinga und ich mit unserem Baby Napirai von Barsaloi nach Mombasa zogen, hat sie uns selbstlos ihren kleinen Wohnraum im Kamau-Village zur Verfügung gestellt, bis wir selber dort ein Zimmer gefunden hatten. Sie versuchte, uns stets, so gut es ging, zu helfen, obwohl es mit Lketinga nicht immer einfach war, denn er war sogar auf sie eifersüchtig und verbot mir zuweilen den Umgang mit ihr, was zu schlimmen Szenen führte.
A m nächsten Tag machen wir uns mit einem Mietauto auf den Weg und kommen nur stockend der Likoni-Fähre näher. Mit ihr müssen wir einen Meeresarm überqueren, um zur Südküste zu gelangen. Die Fahrspuren vor der Fähre sind inzwischen dreireihig. Als ich sie damals zum ersten Mal betreten habe, gab es noch wenige Autos und man konnte meist sofort auffahren, obwohl die Fähre um einiges kleiner war. Ich beobachte aus dem Wagen heraus die Menschen. Bei den Passagieren hat sich nicht viel verändert. Sie stehen zu Tausenden an der Seite und warten, bis sie nach den Fahrzeugen auf die rote Fähre strömen können. Viele, vor allem Frauen, tragen große Lasten auf dem Kopf, die einen Holzkisten mit zusammengepferchten Hühnern, andere Säcke mit Gemüse, die bestimmt viele Kilos wiegen. Dazwischen werden selbst gebaute Handkarren geschoben, auf denen sich das Material teilweise meterhoch türmt. Jeweils mehrere junge Männer müssen ihre ganze Kraft einsetzen, diese Karren unter Kontrolle zu halten. Man sieht es den durchtrainierten Jungen an, dass die Arbeit hart ist. Schweiß perlt über ihre Gesichter, während an den muskulösen Oberarmen die Adern hervortreten. Die brauchen kein Fitnessstudio, geht es mir durch den Kopf.
Immer wieder klopft jemand an die Autoscheiben und ein Verkäufer möchte ein paar simple Schmuckketten verkaufen, oder ein Kind bietet Süßigkeiten oder geröstete Nüsse an. Es fällt mir schwer, jedes Mal Nein zu sagen.
Endlich rollen auch wir auf die riesige Fähre. Welch ein Gefühl für mich! Hier hat 1986 meine große Liebesgeschichte begonnen, als ich Lketinga begegnet bin. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass von diesem Moment an mein Leben in völlig andere Bahnen geraten und viele Jahre später diese Geschichte weltweit gelesen würde. Noch heute schreiben mir Touristen, die diese Fähre benutzen, wenn sie zu ihren Hotels an die Südküste reisen, mehr oder weniger in dem Tenor: »Liebe Corinne, mich hat ein eigenartiges Gefühl ergriffen, als ich auf dieser Fähre stand. Ich musste während der ganzen Überfahrt an Ihre unglaubliche Liebesgeschichte denken …«
Die Menschen stehen dicht gedrängt auf dem Oberdeck oder zwischen den Autos. Ich staune nicht schlecht, als ich sehe, dass diese offensichtlich neuen Fähren aus Deutschland stammen – gebaut in Laubegast. Meine ostdeutschen Leserinnen und Leser werden sich freuen, dass die berühmten Fähren aus ihrer Region stammen und täglich
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