Afrika Quer (German Edition)
Abstimmung mit dem Streifenführer 3.000 FCFA, steckte sie in seine Hosentasche, steckte das restliche Geld wieder in meinen Geldbeutel und gab ihn mir zurück.
Raten Sie mal, ob ich eine Quittung für die 3.000 FCFA Strafe bekam? Ich möchte Polizist werden, wenn die Ordnungshüter davon nicht die nächste Pizzalieferung bezahlt haben.
Das war ärgerlich, aber zumindest war in Dakar die Durchquerung vorbei. Und der Kreis schloss sich. Wie Abdullahi auf der Fahrt zum östlichsten Punkt hat auch unser Fahrer auf der Strecke von der Grenze nach Dakar geblinkt, wenn die Landstraße eine Kurve machte. Und ich hatte meine Lektion gelernt: Ich habe mich gehütet zu fragen, warum er das tat.
Das afrikanische Bewusstsein?! (Dakar)
Ich musste diese Diskussion nicht schon wieder führen. Hinter der sogenannten Familienplanung verberge sich in Wahrheit die Geburtenkontrolle, sagte mein Gegenüber aufgebracht. Bei dem Thema kam er so richtig in Fahrt. „Wie kann Europa die von den Afrikanern verlangen. Das ist doch unglaublich!“
Der alte Kontinent habe doch selbst riesige Probleme. „Wie können sich die Gesellschaften dort erhalten, wenn sie nicht einmal genügend Geburten haben, um die Bevölkerungszahlen stabil zu halten. Und in Afrika wird es bald genauso sein.“
Ich sagte gar nichts. Ich hatte auch nichts gesagt, was diese Wendung des Gesprächs hätte auslösen können. Ich war nicht zu Professor Aboubacry Moussa Lam gekommen, um mit ihm zu diskutieren, sondern um ein Vorgespräch mit ihm für ein Porträt von ihm zu führen.
Er hatte sich schon zu einem Interview in den nächsten Tagen bereit erklärt, und wir hatten den Termin dafür verabredet. Aber er war noch nicht fertig. Ich war weiß. Ich war als Vertreter Europas erkannt, und deshalb musste ich die vermeintlichen europäischen Ideen und Ziele teilen. Nun sagte er mir alles, was seiner Meinung nach in Europa faul war und was er einem Europäer schon immer einmal sagen wollte.
Es mache ihn wütend, fuhr er fort, dass Europa sich herausnehme, sich in Afrika gegen die Beschneidung der Frauen einzusetzen. Wieso die gut und wichtig war, habe ich nicht verstanden. Es schien ihm auch mehr ums Prinzip zu gehen. „Wie können die uns sagen, was wir zu tun und was zu lassen haben!“, ereiferte er sich.
In Afrika sei es eben so, dass die Gemeinschaft über das Individuum gehe, in Europa dagegen umgekehrt. Für einen Afrikaner sei es schrecklich, mit anzusehen, dass in Europa die alten Leute massenweise in Altersheime gesteckt würden.
Und da war mehr. „Die Frauen dort schlafen mit diesem und jenem, und ihr Ehemann mit einer anderen. Früher war das anders, früher war die Moral das, was uns von den Tieren unterschied. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass die Menschen in Europa den Tieren immer ähnlicher werden.“
Ich weiß nicht, wie oft ich diese Diskussion schon geführt habe. Ein bisschen zu oft für meinen Geschmack auf jeden Fall. So verliefen Gespräche mit Afrikanern häufig, wenn man auf die augenfälligsten Mängel in ihren Ländern hinwies, und am Ende sah man sich mit Theorien über Europa konfrontiert, das so verkommen war, dass es vor dem sicheren Zusammenbruch stand.
Auch Emrakeb in Addis Abeba empfand es als einen Skandal, wenn nicht als Verbrechen an der Menschheit, dass jemand seine Eltern in ein Altersheim gab. Und der Ex-Offizier und Hisba-Chef Adam Umar Usman beim Hohen Scharia-Gericht in Kano fand fast exakt dieselben Worten wie der Professor. Auch er hielt die Menschen in Europa für „Tiere“, weil sie „halbnackt herumlaufen“.
Nur die unheimlich vielen Drogensüchtigen, die es in Europa gab, vergaß der Professor diesmal. Deshalb versuchte ich meistens, es gar nicht erst bis zu dieser Diskussion kommen zu lassen.
Aber ich war, wie gesagt, auch nicht gekommen, um mit dem Professor zu diskutieren, sondern weil er mir als wichtigster Nachfolger von Cheik Anta Diop empfohlen wurde. Diop ist eine Ikone der Afrozentristen. Die Universität in Dakar heißt nach ihm, er hat viele Anhänger in der Black Community der Vereinigten Staaten, und in Afrika finden regelmäßig Konferenzen zu seinen Thesen statt.
In seinem Heimatland Senegal jedoch hat Diop, weil er ein politischer Gegner des ersten Staatspräsidenten Léopold Sédar Senghor war, während der sechziger und siebziger Jahre nicht unterrichten dürfen. Kurzzeitig war er deshalb sogar im Gefängnis.
Er arbeitete in einem karg eingerichteten Labor in einem Nebengebäude
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