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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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natürlich auch die Kolonisierten, die in diesem Zusammenhang leicht als die moralisch Überlegenen, die Friedfertigen, die Guten erscheinen konnten.
    Nun jedoch wollte ich wissen, was aus diesen kontroversen Thesen vom Ende der Kolonialzeit geworden war. Das war der Grund, warum ich Aboubacry Moussa Lam interviewte. Er galt als wichtigster Schüler Diops.
    Lam war sechsundvierzig Jahre alt, Professor für Geschichte an der Cheik Anta Diop-Universität in Dakar, Spezialist für die Verbindung Schwarzafrikas mit dem antiken Ägypten und Autor mehrerer Sachbücher und zweier Romane zu diesem Thema.
    Er trug eine schlichte, metallgerandete Brille, einen sorgfältig gestutzten Bart und ein kurzärmeliges, rostrotes Hemd mit einem groben, weißen Strichmuster.
    Das sommerliche Hemd war die passende Kleidung für das ihn umgebende Milieu, denn Professor Lams Klimaanlage war kaputt. Sie stammte noch aus den vierziger Jahren, sagte er. Er hatte sie schon ein paar Mal reparieren lassen. Aber jetzt wusste er nicht, ob es den Versuch noch einmal lohnte.
    Zu dem Interview trafen wir uns in seinem Arbeitszimmer in einem Verwaltungs- und Lehrgebäude der Universität. Auf dem Campus herrschte nicht der klassische Endzustand. Mit der Hilfe eines europäischen Landes war gerade die Bibliothek der Universität aufwendig renoviert worden. Die letzten Vorlesungen des Semesters hatten in der vergangenen Woche stattgefunden. Im Gang vor Professor Lams Büro drängten sich viele Studenten, um in einem Nebenraum ihre mündliche Prüfung abzulegen.
    Lams Arbeitszimmer war eingerichtet, wie man es sich bei einem Professor vorgestellt hätte: Er saß an einem Schreibtisch mit Stapeln von Papier – er korrigierte gerade Seminararbeiten, als ich hereinkam – und neben seinem stand ein zweiter für einen Kollegen, mit dem er sich das Zimmer teilte. An der Wand hinter ihm hing ein Plakat mit dem Konterfei von Cheik Anta Diop, eine große Karte, auf der die prähistorischen Fundstellen Afrikas markiert waren, und eine alte Weltkarte. Auf einem niedrigen Aktenschrank daneben standen drei antik aussehende Tongefäße.
    Außerdem hatte der Professor in seinem Rücken auch zwei Panzerschränke, an denen die Schutzumschläge seiner Bücher und die Kopien der Rezensionsartikel seines neuesten Romans aus den lokalen Zeitungen angeheftet waren.
    Zu diesen Schränken lief er, wenn ihm nach einer Frage von mir eine Stelle in einem Buch einfiel – meistens einem seiner eigenen –, um sie mir zu zeigen. Um die Schlösser waren die Türen ganz abgeschabt, denn er schloss jedes Mal den Schrank auf, nahm das Buch heraus, zeigte mir die Stelle, brachte das Buch wieder zurück und schloss den Schrank wieder zu.
    Zuerst fragte ich nach Professor Lams Biographie. Er ist Fulbe, stammt also aus jenem Hirtenvolk, das über viele Länder Westafrikas verteilt lebt. Er berichtete von Lehrern, die lieber angeln gingen, als ihren Schülern Französisch beizubringen und zählte ausführlich jede der Schulen auf, die er in seiner Kindheit und Jugend besucht hat.
    Letztendlich, sagte er, spielte der Zufall jedoch eine nicht unerhebliche Rolle, dass der Schüler aus der Provinz Wissenschaftler wurde und nicht Lehrer in seiner senegalesischen Kleinstadt zum Beispiel.
    Ursprünglich wollte Lams Vater nämlich, dass er, sein ältester Sohn, Marabu wird. Aber Frankreich forcierte in den fünfziger Jahren die Einschulung seiner kolonialen Subjekte, und alle Clans und Familien mussten eine bestimmte Anzahl von Grundschülern stellen, wenn die Familienchefs nicht eingesperrt werden wollten.
    Widerwillig schickte der Vater Lams jüngeren Bruder zur „Schule der Weißen“. Aber der war noch keine fünf Jahre alt, also noch zu jung für die 1. Klasse. Deshalb musste sein Vater dann wohl oder übel den zukünftigen Professor schicken.
    Die gerade erst unabhängig gewordenen Länder brauchten damals vor allem Beamte, Ingenieure und Lehrer, weil der Abzug der Franzosen aus diesen Bereichen am schwersten zu verschmerzen war. „Jeder wollte damals Lehrer werden. Ich auch,“ sagte Professor Lam.
    Aber dann kam wieder der Zufall dazwischen. Zum Abschluss seines Gymnasiallehrerstudiums schrieb er eine Arbeit zum Thema: „Die Beziehungen zwischen Ägypten und Äthiopien bei Strabon und Diodor von Sizilien“. Und sein Dozent riet ihm, sich um ein Doktoranden-Stipendium in Frankreich zu bewerben. Lam wurde akzeptiert. Er ging an die Sorbonne, die renommierte Pariser Universität.
    Dieser

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