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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Strohdächer so spitz wie Zipfelmützen, und der Bau der Eisenbahn schien nichts Neues in diese Dörfer gebracht zu haben. Es gab keine Werbeplakate. Nur Leute, die einmal am Tag zu den Gleisen strömten, um ihre Waren anzubieten.
    Um in eine solch abgelegene Gegend zu gelangen, hätte man sich mit dem Auto stundenlang über schwierige Pisten quälen müssen. Im Zug dagegen war es bequem. Und ich fühlte mich sicher. Was hätte mir schon passieren können? Der Zug konnte keinen Platten haben. Die Höchststrafe wäre gewesen, ein paar Stunden herumzusitzen und zu lesen.
    Den gefährlichen, unberührten Busch an mir vorüberziehen zu sehen und gleichzeitig unangreifbar zu sein, vermittelte mir das angenehme Kribbeln aus mildem Gruseln und wohliger Sicherheit wie bei einem spannenden Film in einem bequemen Fernsehsessel. So machte Reisen Spaß. Also, wie gesagt, mit diesem Zug hätte ich noch viel länger fahren können.
    Aber er fuhr leider nur von Bamako bis Kayes, 100 km vor der senegalesischen Grenze. Am Mittwoch und am Samstag gab es auch Züge, die bis nach Dakar fuhren. Aber nicht dieser.
    Mir war wieder einmal ein Feiertag dazwischen gekommen. Der Geburtstag des Propheten Mohammed war am Dienstag. Nicht dass das eigentlich ein Grund gewesen wäre, den Zug nach Dakar nicht fahren zu lassen. Er wäre am Samstag losgefahren und schon am Sonntag eingetroffen. Aber dann hätten die Eisenbahner ja nicht von dem Feiertag profitiert. Und das ging dann doch ein bisschen zu weit. Also ließen sie den Samstagszug einfach ausfallen.
    Als ich ursprünglich endlich in Bamako angekommen war, fühlte ich mich wirklich erleichtert. Nun sind die Strapazen der Durchquerung endlich vorbei, dachte ich. Nun wirst du gemütlich mit dem Zug bis nach Dakar fahren, zum westlichsten Punkt und damit zum Ende deiner Reise.
    Aber dann ging ich zum Bahnhof. Mein Westafrika-Handbuch - Stand 1995 - schreibt: „Offiziell ist der Fahrkartenschalter von 6 Uhr 30 bis 11 Uhr und von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Aber der Beamte weiß das nicht.“
    Bis heute scheint es ihm niemand gesagt zu haben. Ich war ein paar Mal am Morgen dort, aber nie war der Schalter offen. Dann wies mich jemand darauf hin, dass ich in ein Nebenzimmer gehen muss. Dort saß der Stationsvorsteher und schrieb Zettel aus, die wie Fahrkarten aussahen.
    Auf meine Frage, wann denn der Schalter geöffnet sei, sagte einer der Unterlinge des Vorstehers: „Also, hören Sie mal! Wenn Sie es so eilig haben, dann kommen Sie doch am Nachmittag wieder.“
    Also, wie gesagt, so kam es, dass ich mit dem Zug nur bis Kayes fahren konnte und danach wieder nur mit der Karikatur eines Fahrzeuges, das früher einmal so etwas wie ein Kleinbus gewesen sein musste. Für die 100 km zur senegalesischen Grenze brauchte er fast die ganze Nacht.
    An der Straßensperre unmittelbar hinter Kayes fragte der Polizist nach unseren Impfausweisen, sammelte unsere Pässe ein, verschwand damit in seinem Holzverschlag, und wir Passagiere folgten ihm. Mach ein Gesetz, und in Afrika findet sich bestimmt jemand, der es durchsetzt. Wenn nötig auch ein bisschen mehr.
    Irgendwann einmal muss in Afrika das Gelbfieber verbreitet gewesen sein. Aus dieser Zeit stammt die Verordnung, dass Reisende gegen das Fieber geimpft sein und das bei der Einreise durch einen Impfausweis nachweisen müssen.
    Dass der Polizist sich bei der Richtung vertat – wir reisten aus, nicht ein! – und dass er mit der Abgabe nur seinen nächtlichen Schlummertrunk finanzierte, tat hier nichts zur Sache.
    Afrikaner bestechen gewöhnlich mit der Gelassenheit dessen, der schon Schlimmeres erlebt hat. Was sollen sie auch machen? Jeder, der keinen Impfausweis hatte – und das waren die meisten – musste seinen Pass wieder durch 1.000 CFA-Franc auslösen, umgerechnet 1,50 Euro.
    An der Grenze zog der zuständige malische Beamte dann schon wieder den Impfausweis-Gewinnplan durch. Ich fand das etwas einfallslos. Es war schon halb fünf Uhr morgens.
    Er nahm wieder unsere Pässe an sich, setzte sich an seinen Schreibtisch und plärrte nacheinander die Leute in der Reihe an: „Kein Impfausweis. Sie zahlen.“
    Dann steckte er seine 1.000 FCFA sorgfältig zu dem Bündel, das schon in seinem Schubfach lag. Als ich an der Reihe war, sagte ich: Chef, ich habe einen Impfausweis.
    Darauf er: „Dann zahlen Sie für den Service!“
    Ich hörte nur ein Schmatzen, jenes Geräusch zwischen Zunge und Schneidzähnen erzeugt, das in ganz Afrika dasselbe bedeutet:

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