Afrika Quer (German Edition)
ich mich wirklich auf Dschibuti. Die Stadt liegt an der Küste und gilt als einer der heißesten Orte der Welt. Ich sah mich unter Palmen am Strand oder in einem heißen, stickigen Hotelzimmer, in dem der Ventilator nicht funktionierte. Ich nahm mir vor, so zu schwitzen, dass mir der Schweiß in endlosen Bächen von der Stirn herunterlief.
Aber davor waren noch die somaliländischen Grenzbeamten. Die Grenze selbst war nur eine Viertelstunde vom Hotel entfernt. Nachts war sie geschlossen, deshalb hatten wir die Nacht im Fünf-Sterne-Hotel gewonnen.
Die Grenze machte auch nicht viel her. Die Grenzanlagen bestanden aus einer kleinen Holzhütte mit einem großen Fenster in der Wand, aus dem zwei Beamten herauslugten. Davor wartete eine Schlange.
Der Mann vor mir in der Schlange reichte einem der Zöllner ein Bündel Geldscheine in seine Holzhütte. In manchen afrikanischen Ländern darf man die einheimische Währung nicht ausführen. Ich holte also meine restlichen somaliländischen Schillinge aus der Tasche und bereitete mich darauf vor, sie dem Zöllner zu übergeben.
Als ich an der Reihe war, sagte der zweite Grenzer in dem Häuschen bestimmt: „Geben Sie ihm 20.000.“
Das waren umgerechnet fünf Euro und weniger, als ich in der Hand hatte. Aber dass er eine feste Summe verlangte, machte mich stutzig.
Ich fragte: Wofür ist das Geld?
„ Geben Sie ihm 20.000“, sagte der Grenzer noch einmal. Aber diesmal hörte es sich schon mehr an wie eine Bitte.
Jetzt kapierte ich erst. Der Mann vor mir hatte die Grenzer bestochen, und die Aufforderung, den beiden „20.000“ zu geben, war ein, wenn auch reichlich dilettantischer Versuch, Geld aus mir herauszuleiern.
Solche Anfänger! Wenn sie wirklich bestochen werden wollten, dann mussten sie es schon ein bisschen schlauer anstellen. Sie kannten wohl die erste und wichtigste Regel des „Grundkurses für Sicherheitskräfte in Fragen der Bestechung“ nicht, den irgendjemand einmal schreiben wird: Mehr Angst = mehr Geld.
Die zwei hätten sich mal ein Beispiel an den Grenzern im Kongo – heute: Demokratische Republik Kongo – nehmen sollen. Die haben lange Jahre geübt. Das sind Fachleute, richtige Könner. Die wissen, wie man so etwas macht. Ein guter Auftakt ist zum Beispiel, das Opfer erst einmal in ein Hinterzimmer zu führen. Am besten mit einem besorgtem Kopfschütteln über den sichergestellten Pass gebeugt. Dann muss man das Opfer schmoren lassen. Lange, sehr lange, damit seine Gedanken im Kopf hin- und hersausen können, was denn nun um Himmels Willen schon wieder mit dem Pass nicht in Ordnung ist.
Dann muss ein zweiter Beamter kommen und Fragen stellen: Wo kommen sie her? Was tun sie hier? Wo wollen sie hin? Nichts besonderes also, aber wichtig ist dabei die gerunzelte Stirn, die echte Sorge, dass hier ein ganz besonders schwerer Fall vorliegt.
Und dann muss man wieder etwas Zeit verstreichen lassen, damit sich die Angst langsam anschleichen kann, du würdest hier ewig sitzen oder einfach in einem stinkenden Kerker verschwinden, vergessen von der Welt.
Irgendwann wirst du dann von selbst etwas anbieten. Das ist psychologisch von großer Bedeutung. Es erspart den Beamten den kleinen Moment der Schwäche, selbst um etwas zu bitten. Und außerdem – man ist ja auch kein Unmensch! – bewahrt das Opfer so sogar noch einen Rest Würde, weil es denken kann, es habe sich doch noch recht geschickt aus der Schlinge befreit. Obwohl es von Anfang an natürlich keinen anderen Ausweg gegeben hat, als die Grenzer zu bestechen. Natürlich geben sich solche Könner dann auch nicht mit einheimischer Währung ab, und vor allem nicht mit fünf Euro. Aber dafür zahlt man ja dann auch gerne. Schon um den Hut zu ziehen vor der Kunstfertigkeit, zu der sie es gebracht haben.
Aber: „Geben Sie ihm 20.000.“ Das war amateurhaft! Das war lächerlich! Das war eine Beleidigung!
Ich steckte mein Geld wieder in die Tasche und habe später damit in Dschibuti die Fahrt in die Stadt bezahlt.
Nach zweihundert Metern musste mir einer der Grenzer aus dem Häuschen nachgerannt kommen, um mich wieder zurückzuholen. Vor lauter Nervosität hatten die zwei vergessen, die Daten aus meinem Reisepass in ihr Buch einzutragen.
Somaliland ist noch ein sehr junges Land. Seine Beamten müssen noch eine ganze Menge lernen.
DSCHIBUTI
Autos im Endzustand (Grenze – Dschibuti-Stadt)
Ich wollte nicht warten, bis der Geländewagen, mit dem ich aus Hargeisa gekommen war, die Grenze überquerte
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